Valencia, Spanien – Lissabon, Portugal

Von Hunden, Tonsillitis und traurigen Gestalten

Die Sonne brennt bereits heiss als wir von Valencia aus Richtung Westen aufbrechen. Nach meist flacher Strecke entlang der Mittelmeerküste geht es nun in die etwas bergigere Region von Castilla-La Mancha.

Doch nach einem Pausentag brauchen die Beine ja auch wieder etwas zu tun. Nachdem wir dem Trubel des Stadtverkehrs entkommen sind, wird es schon bald recht ruhig um uns herum. Nur selten werden wir von einem Auto oder altem Traktor mit skeptischen Blicken werfenden Fahrern überholt. Die Besiedlung ist dünn geworden, als wir nach einigen Kilometern die Grenze zur Region Castilla-La Mancha überqueren. Doch so können wir wenigstens in aller Ruhe die Anstiege hinauf kurbeln und die Landschaft genießen. Diese zeigt sich überraschenderweise grün und abwechslungsreich und nach der ganzen Schufterei können wir am Abend unser Lager meist mit schönen Ausblicken auf die Umgebung aufschlagen. Ein Vorteil der dünnen Besiedlung: ein Platz zum Campieren ist meist leicht zu finden.

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Camp mit Ausblick auf den Canyon des Rio Júcar

Als wir gerade über die weitere Routenführung tagen, stossen wir in Albacete überraschend auf eine Berühmtheit. Eigentlich hätten wir bei Castilla-La Mancha sofort dran denken müssen, doch erst als der Ritter von trauriger Gestalt in Bronze gegossen vor uns steht, fällt es uns wie Schuppen von den Augen: Wir befinden uns in der Heimat des Don Quijote de la Mancha. Und wie es der Zufall will, liegt genau in unserer Richtung der „Erlebnisradweg“ Ruta de Don Quijote. So fällt uns die Entscheidung zur Wahl des nächsten Streckenabschnittes leicht. So manch einer, der uns gesehen hat, wird sich gefragt haben, welch traurige Gestalten auf Drahteseln durch diese einsame Gegend ziehen.

Insgesamt haben die 60km Ruta de Don Quijote allerdings nicht viel zu bieten, ausser ein paar Hinweisschildern, dass man sich auf ihr befindet. Nur die trockene, verstaubte und beschwerliche Schotterpiste gleicht dem Kampf gegen Windmühlen, von denen es auf dem „Erlebnisradweg“ übrigens keine einzige zu sehen gibt. Als krönenden Abschluss des Weges passieren wir den höchsten Punkt unserer „Europa-Etappe“ auf 1.033m, kurz vor Villanueva de los Infantes, jener Ort auf den sich der Eröffnungssatz in Cervantes Roman beziehen soll:

„An einem Orte der Mancha, an dessen Namen ich mich nicht erinnern will, lebte vor nicht langer Zeit ein Hidalgo, einer von jenen, die einen Speer im Lanzengestell, eine alte Tartsche, einen hageren Gaul und einen Windhund zum Jagen haben.“

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Don Quijote und Sancho Panza in Villanueva de los Infantes

 

Nach 4 Tagen auf unseren Gäulen legen wir einen halben Tag Pause in Almagro ein, welcher Ina gar nicht gut bekommt. So startet Ina mit geschwollenen Lymphdrüsen und Halsschmerzen in die nächste Tagesetappe. Da die Gegend mittlerweile landwirtschaftlich mehr genutzt wird (Weide, Wein und Weizen) ist es gerade an diesem Tag besonders schwer, einen geeigneten Lagerplatz zu finden. Am Rande der Verzweiflung werden wir erst am späten Abend fündig. Geschundene, aber tapfere Ina!

Ein prüfender Blick durch Prof. Dr. Tóth am nächsten Morgen bringt die Gewissheit: entzündete und eitrige Mandeln. Na super! Das medizinische Personal unter unserer Leserschaft liest bitte beim nächsten Abschnitt weiter!… Inas Angina Tonsillitis kann durch relative warme Bekleidung, Radfahren in mäßigem Tempo und sanfte Antibiotikagabe kuriert werden. Nach weiteren 2 Tagen im Sattel ist der Spuk vorbei und in Nullkommanix sind wir plötzlich schon in Merida, wo wir erneut einen Zwischenstopp einlegen.

Von Merida ist es nun nicht mehr weit zur Grenze nach Portugal und genau am 01.06.2015 reisen wir im vorerst letzten Land unserer Europa-Tour ein. Landschaftlich ändert sich nicht viel: großteils savannenartige Landstriche mit Weiden und Korkeichen und hier und da ein Stausee, welche uns tolle Nachtlager bescheren.

 

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Lagerplatz am Stausee Serena mit Storchkolonie in der Nachbarschaft

Zum Teil entlang der Radroute Badajoz-Lissabon ist es weiterhin recht entlegen und zwischen den Ortschaften liegen oft 15-20km… wir bekommen langsam eine Ahnung von dem noch vor uns liegenden Weg um den Erdball. Sehr intensiv wird diese Empfindung, als die Route uns an einen einsam gelegenen Bauernhof vorbei führt und plötzlich zwei GROSSE, frei laufende Hunde auf uns zu stürmen, um uns zu vertreiben. Was den beiden Kläffern gut gelingt! Zum Glück geht es leicht bergab. Wir treten rein, was das Zeug hält, versuchen uns teilweise in Radakrobatik (Ina) und schließlich bleiben die beiden bellend hinter uns zurück. Unser Adrenalinspiegel ist auf Anschlag und wir müssen erst einmal anhalten, um unsere schlackernden Beine und den Puls zu beruhigen. Was für ein Schreck, aber an solche Situationen werden wir uns wohl gewöhnen müssen…

Nach 14 Tagen quer über die iberische Halbinsel – vom Mittelmeer zum Atlantik – erreichen wir Lissabon, wo wir uns es gut gehen lassen werden und uns auf die nächste große Etappe vorbereiten. Unser Flug in die USA geht am 09.06.2015. Genug Zeit also noch, um Verpackung zu besorgen, die Räder sicher einzupacken, Überflüssiges von Bord zu werfen, Wäsche zu waschen, Postkarten zu schreiben, Haare zu schneiden 🙂 und vielleicht reicht die Zeit auch noch für ein wenig Sightseeing. Wie Ihr seht haben wir hier voll den Europa-Endstress ;-).

Seid alle gedrückt

Ina und Mirko

Für die Statistik:

gefahrene Strecke gesamt: 3.568km

erklommene Anstiege gesamt: 17.348m

 

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15 Gedanken zu „Valencia, Spanien – Lissabon, Portugal“

  1. Lieber Mirko, liebe Ina.
    Angesichts eurer Bilder, Beiträge und des schöneren Wetters kann man schon etwas neidig werden, wenn wir zwei aus unserem Wohnmobil auf die verregnete Süd-West-Küste Norwegens blicken. Der Regen und durchschnittlich 10 Grad sind uns seit 14 Tagen gut vertraut. Nur in den letzten beiden Tagen hat sich die Sonne gnädigerweise kurz blicken lassen.
    Aber es geht hier um eure Tour. Und die Textbeiträge sind witzig und fesselnd und machen Fernweh.
    Absolut unverzeihlich, dass wir es versäumt haben -dir lieber Mirko- zum Geburtstag zu gratuieren. Vor allem bei diesem Jubiliäum. Auch wenn fast verjährt – von uns beiden alles Liebe und Gute nachträglich zum Geburtstag, viel Gesundheit und Kraft zum in die Pedale treten. Müssen immer an dich denken, wenn wir hier Radfahrer sehen, die dich mühsam die Berge hochquälen – Respekt, da braucht man stramme Wadeln! Wo bist du eigentlich in Norwegen rumgeradelt?
    Wir wünschen euch noch ein paar entspannte Tage in Lissbon als auch einen guten Flug mit flotten Start in den USA.
    Seid herzlich von uns beiden gegrüßt…
    Biene und Robert

  2. ola ihr beiden.
    Ihr legt ja ein krasses Tempo vor. Und MTB würdige Streckenabschnitte fahrt ihr auch mit euren schwer bepackten Rädern. Routine habt ihr ja mittlerweile, so dass ihr wohl bestens für außereuropäische Abenteuer gerüstet seid.
    Ich wünsche weiterhin gute Fahrt!
    LG Antonio

  3. Hallo Ina , lieber Mirko,
    Respekt vor eurer Leistung, da sind meine taeglichen 9 km ein Witz dagegen. Geniesst noch die kurze Zeit in Lissboa bevor ihr euch im Flugzeug etwas besser entspannen koennt. Ich lese euch dann wieder in NAR. Hoffe es geht weiter alles gut.
    Viele liebe Gruesse und gut Tritt

    Helmutschi

  4. Hey ihr 2.
    Gebt mal Gas wir kommen, näher. 🙂 sind letztes Wochenende den stoneman gefahren und haben Ereignisreiche km und Höhenmeter bewältigt. Genauere Details werden aber die anderen Teilnehmer sicher noch in eurem Block berichten. 😀
    Gestern haben wir in Falken Rico’s 40 igsten Geburtstag gefeiert. Inzwischen sind fast mehr Kinder auf den Feiern als Erwachsene was für allerhand Unterhaltung sorgt.
    Wünschen euch viel Spaß in the USA und noch mehr Spaß bei der freundlichen Passkontrolle. 😉

    Denise und René

  5. Hallo ihr zwei,
    tolle Bilder habt ihr da wieder geschossen.
    Gut nur, daß es Ina wieder besser geht. Hoffentlich verschleppt sie nichts.
    Streichelt nur Eure Drahtesel schön, damit Sie noch lange durchhalten.
    Ein paar Kilometerchen sind es ja noch.
    Dann guten Flug auf den nächsten Kontinent. Bleibt gesund.
    Bin zur Zeit mit Familie in Prag auf Wochenendausflug, morgen geht es zurück.
    Bis bald mal.

    Kathrin

    Bin zur Zeit mit Familie in Prag bei einem verlängerten Wochenende.

  6. hallo ihr beiden rad-nomaden,
    gut zu wissen, dass es euch auf eurer tour weiterhin gut geht, ihr den einheimischen wildtieren entkommen konntet und nun schon das erste große zwischenziel erreicht habt! entspricht das von euch im angesicht der beiden hunde gewählte verhalten eigentlich den empfehlungen für derartige situationen? wie hätte euer plan ausgesehen, wäre es nicht berg-ab sondern berg-auf gegangen? vom prof.dr. tóth hat man ja schon viel gutes gehört, aber das übertrifft mal wieder alles (prof. brinkmann-style), wobei die empfohlene & erfolgreiche therapie (weiterradeln) auch vom doppel-dr „rein-in-den-schmerz“ hätte kommen können 😉 dessen und seiner gattin nachwuchs haben wir übrigens beim von rené schon angesprochenen gartenfest erstmals zu gesicht bekommen, sehr gelungen und entspannt die kleine mitbürgerin! wahrscheinlich liegts an meinen bereits abnehmenden koordinativen fähigkeiten, denn während ihr mehr oder weniger unbeschadet durch westeuropa radelt fang mir eine clavicula-fraktur ein, wenn ich mal zwei tage im erzgebirge unterwegs bin. wenigstens blieb das mtb unverletzt, mein team-start beim heavy24 ist aber somit vom tisch 🙁 oder gibts vo prof.dr. tóth auch hierfür eine 2-tages-therapie? wie auch immer, wir 4 wünschen euch weiterhin alles gute, viel glück & toi toi toi!!!

    1. Hey André,

      der Plan für Berg hoch Flucht ist prinzipell der Gleiche wie für Berg ab, nur eben wesentlich anstrengender. Dass du wieder auf der Schulter landest ist ja wohl klar, meine klare Therapieempfehlung lautet: Finger weg vom radfahren, soll eben nicht sein 😉 Wie wärs den mal mit Schach mit besonders leichten und rund geschliffenen Figuren (geringes Verletzungsrisiko) 🙂 ?

      Liebe Gruesse in die Heimat und vielen Dank für die regen Gedanken und News aus der Heimat. Wir vermissen Euch ganz dolle Ina & Mirko.

  7. Einen guten Flug wünschen die 3 Helden ! Die einen fliegen los und die anderen schippern los ! Alles alles Gute für euch!!

  8. Hallo ihr Beiden Weltenradler 🙂

    …ich glaube ich hätte vor Angst einfach nur geschrien wenn mich diese von euch beschriebenen Hunde verfolgt hätten … und dann wäre ich in Ohnmacht gefallen bis sie wieder weg gewesen wären :-ooo
    Das ihr so schnell Europa verlassen werdet hätte ich gar nicht gedacht … kaum dass ihr los seid habt ihr dessen Ende schon erreicht. War das euer Plan so schnell zu sein (?) – zum Glück – wenn ihr weiter so schnell radelt dann seid ihr ja bald wieder hier – juhuuuu :-))) …
    Genießt mal die Zeit die ihr euch vorgenommen habt 🙂 wir sind dann alle noch da :-))) Ich bin trotzdem neugierig, war das so geplant, dass ihr so schnurstracks durch Europa radelt mit wenig Abstechern nach links und rechts der Route?
    Wir waren am Wochenende auf den Flüssen vom herrlichen Leipzig paddeln – am liebsten würde ich gleich wieder da hin ziehen – mal sehen was die Jungs sagen ;-))) … aber wenn sie groß sind und ihre eigenen Wege gehen,
    dann ist Leipzig das Ziel :-))))) Die Wochen bis zum Urlaub sind auch gezählt – 4 1/2 an der Zahl – ich bin gespannt und voller Vorfreude 🙂
    Seid ganz lieb gegrüßt aus dem 12 Grad kalten L.-O. und fühlt euch geknuddelt 🙂
    Jacky und alle die zu mir gehören :-)))

  9. Ola und schon wieder Adios ,
    Ihr zwei seid ja schneller als die Polizei erlaubt !
    Wie schon von Jacki bemerkt, kann das ja nur gut für uns sein, denn Ihr seit schneller zurück! oder macht ihr kurz vor der Heimat kehrt 🙁 und fangt das zweite Jahr umgekehrt an?
    So Ina, denk auch im Flieger daran, dich nicht zu verkühlen,denn Du dürftest noch ein bisschen empfindlich sein!! ( ich würde so gern als persönliche Krankenschwester dabei sein) Übrigens, Ich berichte fleißig beim Training von all Euren Abenteuern, Kapriolen und spreche mit voller Begeisterung von den tollen Schnappschüssen
    die Ihr liefert – macht weiter so!!!!
    Jetzt freue ich mich schon auf Amerika Bilder und Berichte. Bleibt gesund und bis bald, Catl.

  10. Gestern war sie in meinem Briefkasten 🙂 … die spezielle Karte 🙂 … habt vielen Dank :-)))))
    …ich freue mich schon auf’s nächste Rätsel …
    …heute gab es in Kändler eine Zirkusvorstellung … in Kändler steht ein Zirkuszelt … ein Mitmachzirkus …die Schule hat im Projekt „Fächerverbindender Unterricht“ sich einen Zirkus „geangelt“… die Kinder gesamten Grundschule Kändler haben verschiedene Zirkusattraktionen einstudiert und heute in einem 2stündigen Programm im echten Zirkuszelt vorgeführt … richtige echte Zirkusatmosphäre … es war einfach herrlich … es hatte so etwas „Verzauberndes“ … ich habe mich gefühlt wie im Märchenland … weit weg vom Alltag … ich bin in diese Zirkuswelt mit eingetaucht :-))))
    Liebste Grüße und einen dicken Drücker aus Kändler schickt euch Jacky

  11. moin ihr beiden,
    den „europa-endstress“ (wtf? wollt ihr jetzt unser mitgefühl?) hattet ihr ja hoffentlich spätestens im flieger abgeschüttelt. nun sitzt ihr wahrscheinlich schon ein paar tage im sattel auf der tour durch „god´s own country“ (welcher gott/welche göttin eigentlich?). oder lungert ihr noch im ehemaligen „Nieuw Amsterdam“ rum, guckt hohe häuser & zählt starbucks-filialen? so oder so, vg & weiterhin alles gute wünschen die vier leipziger!

    zum nachdenken für die vielen sattelstunden: ernährt man sich zu einseitig, wenn man ausschließlich möbiusband-nudeln zu sich nimmt? wenn einer von euch beiden mir die richtige antwort sendet bekommt ihr eine überraschung 😉

  12. ach mirko, du hättest vor eurem unterfangen mal zu mir zum verhaltensunterricht in sachen kläffender vierbeiner kommen sollen. dann hättet ihr dieses nette abenteuer wesentlich ruhiger überstanden. ich hab herzlich gelacht und die bilder in meinem kopf von wild flüchtenden radlern hat diesen zustand noch verstärkt 😀

    viele grüße und weiterhin viel spaß euch zweien

  13. Die Family kommt ja hier in den Kommentaren viel zu kurz, deswegen endlich mal ein Gruß vom cousinchen.
    Wir sind schwer beeindruckt, dass ihr schon in Amerika seid.
    Mirko, du hast ja richtiges Talent zum Schreiben, macht Spaß zu lesen.
    Bei uns alles gut, haben uns grad in Italien die Sonne auf den Bauch scheinen lassen für mickrige 2 Wochen… Im Vergleich zu euch…
    Genießt euren Trip.
    Bussi

  14. Es ist beeindruckend und beneidenswert von einigen Ihrer zahlreichen Erlebnisse zu lesen 🙂
    Danke, dass Sie uns Teil Ihrer Reise sein lassen 🙂

    LG aus dem eisigen Erzgebirge
    Claudia 🙂

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