„Was war denn heute dein schönstes Erlebnis?“…
… kannten wir aus einem anderen Urlaub mit Ina & Mirko, der ein paar Jahre zurückliegt. Wir hatten also eine Ahnung, was passiert, wenn wir die beiden besuchen würden. Dass uns, Katl und mir, die verantwortungsvolle Ehre zukommt, einmal selbst einen Beitrag hier im Blog zu verfassen, ist eines dieser schönen Erlebnisse wie sie sich im gesamten Radurlaub zugetragen haben.
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Anders als vorangegangene Berichte handelt dieser Bericht von einem Urlaub mit Leuten, die sich eine gefühlte Ewigkeit nicht gesehen haben und nicht von einem Abschnitt des Weges von Ina und Mirko um die Welt. Für beide Reisegruppen ist es Urlaub, für die einen von der Arbeit, für die anderen vom Reisen selber.
Nach langem Hin und Her, wo wir uns endlich einmal treffen wollen, finden sich Ina & Mirko am 11. und Katl & Peter am 12.09.2017 auf Bali ein, versprochen ist versprochen. Die einen kommen von unten hoch, die anderen von weiter drüben rüber. Gute zweieinhalb Jahre ist es her, dass man sich zuletzt gesehen hat und dann steht man sich plötzlich gegenüber und hat tatsächlich die gleichen Menschen vor sich stehen wie sie einem in Erinnerung geblieben sind. Keine Radaliens oder Radikalos, die wortkarg auf einer Speiche im Mund herumkauen und einem in ihrem Windschatten dreimal in Rekordgeschwindigkeit um Bali herumzerren wollen. Nein, einfach Ina und Mirko. Die Freude ist groß und man vergisst ganz nebenher, dass man gerade in Indonesien ist und einem der Schweiß die langen Hosenbeine runterläuft. Den Flüssigkeitsverlust kompensieren wir relativ schnell mit Bier und Dutyfree-Wodka aus Tschechien, womit sich auch die Synapsen wieder beruhigen.
Die Reiseroute
Eine ziemliche Anmaßung ist es, so lange auf so engem Raum im Flugzeug eingesperrt zu sein. Ziemlich anmaßend ist es aber auch, die gleiche Strecke, für die Ina und Mirko ein weiteres reichliches Jahr benötigen werden, in 20h zu bewältigen. Setzt man das ins Verhältnis, nimmt man jeden Flug mit Fassung, außer hinsichtlich der eigenen Ökobilanz. Unser Verhältnis zur Welt wird im Laufe der Reise hinsichtlich Ökologie, Mobilität und Nachhaltigkeit oft für Gesprächsstoff sorgen, denn so ein Leben auf Reisen verleiht einem diesbezüglich eine neue Sicht darauf. Die 630 Radkilometer, die wir insgesamt auf Bali zurücklegen, sind dann ebenfalls ein Klacks in Relation zum Flug um die halbe Welt. Nimmt man allerdings die Höhenmeter mit rein, war das schon ganz beachtlich. An der Stelle ein Kompliment an Katl, die wider Erwarten ganz schön die Berggazelle raushängen lässt. Irgendwo muss sie heimlich trainiert haben. Bis auf die Küstenstraßen gibt es auf Bali kein Geradeaus. Die Freude über rasante Abfahrten wechselt andauernd mit der Gewissheit, dass direkt danach wieder Höhenmeter lauern, mit denen nicht zu spaßen ist.
Gibt man die Verantwortung weiter einen Blogeintrag zu schreiben, muss mit Veränderungen gerechnet werden. Ich bin, im Gegensatz zu Ina, die mit eiserner Disziplin Tagebuch schreibt (wahrscheinlich auch dann noch, wenn ihr der Himmel auf den Kopf fällt), nicht in der Lage mir Notizen zu machen. Das bedeutet, dass es keine exakte Rekonstruktion der Reiseroute geben wird. Wir sind halt einmal fast drum rum und 1,5 mal durchgefahren. Start und Ziel war die hektische Hauptstadt Denpasar, dazwischen Touristenhochburgen wie Ubud oder Kuta. Doch dank des Zweirades war es uns ein Leichtes in die Inselwelt einzutauchen, auf der sich immerhin über 4 Milllionen Einwohner befinden.
Der Verkehr ist, wie die Mentalität der Menschen, komplett anders als in Deutschland. Zuerst denkt man, dass alles aufeinander los stürmt. Schnell merkt man jedoch, dass alles irgendwie im Fluss ist und sich unter wilder Huperei schließlich fügt. Man bekommt fast das Gefühl die Augen während der Fahrt schließen zu können, weil immer einer bremst oder ausweicht. Soweit ich weiß haben wir aber auf dieses Experiment verzichtet. Wütende Beschimpfungen oder bebende Mittelfinger sucht man hier vergebens. Beliebtestes Fortbewegungsmittel auf der Insel sind Mopeds, die in allen erdenklichen Formen, Farben, Lautstärken, Leistungs- und Beladungsstufen an einem vorbeifahren. Und man kann sich darauf verlassen, dass sie immer da sind, egal ob Feld- oder Fußweg, Land- oder Bundesstraße. Vergleichbar ist das mit Mücken, die permanent um einen rumsausen, so wie wenn man bspw. im Sommer in Brandenburg schwitzend irgendwo im Wald stehen bleibt. Die Akzeptanz gegenüber den Abgasschleudern wuchs jedoch von Tag zu Tag und endete schließlich im Selbstversuch und dem schönsten Erlebnis des Tages.
Am Straßenverkehr, der selten zur Ruhe kommt, konnte man gut die dichte Bevölkerung der Insel ablesen. Wir sind Dank des Rades frei von Konventionen oder Terminen, kurzum sind wir frei von Müssen. Der Anblick der Räder und das Versprechen auf Fahrtwind treiben uns immer wieder an, zumal man das Inselleben auf dem Rad gut verfolgen kann. Übernachtungen am Stück sind eher die Seltenheit und dreimal hintereinander ist der Rekord.
Eine imposante Erfahrung der Reise war, dass die Natur immer größer ist als man selbst, bzw. wir alle zusammen. Der drohende Ausbruch des Gunung Agung, eines aktiven Vulkanes und gleichzeitig des höchsten Berges der Insel, machte unserer Reiseplanung einen dicken Strich durch die Rechnung und zwang uns zur Um- bzw. Rückkehr. Nachdem wir nachts die Nachricht erhielten das evtl. evakuiert wird, saßen Ina und Mirko morgens bereits auf gepackten Koffern. Ein Zeichen zum Aufbruch vorm Ausbruch. Dadurch blieb uns der Ostteil der Insel leider verwehrt.
Die gemeinsame Zeit war wohl der entspannteste Urlaub mit so vielen Teilnehmern, an den ich mich überhaupt erinnern kann. Die einzigen Differenzen, die es glaube ich gab, bestanden in der Biermenge und der Sonnenschutzfaktorstärke. Auch wenn das gemeinsame Radfahren sehr entspannt war, denke ich, dass Ina und Mirko trotzdem froh waren wieder ihr gewohntes Kilometerpensum ohne uns abspulen zu können.
Flora & Fauna
Die Insel ist nicht nur grün, sie ist unglaublich grün. Üppig trifft es auf den Punkt, denn überall wachsen verschiedenste Früchte, bunte Blüten, Kokosnüsse, Farne, Elefantengrass, Reis, Reis und nochmals Reis.
Dieser wird von lokalen Gemeinschaften mit einem jahrhundertealtem Bewässerungssystemen angebaut. Beim Versuch, dieses System durch westliche Technik zu ersetzen, scheiterten in der Vergangenheit Großinvestoren eindrucksvoll und die Menschen kehrten zum bewährten Netzwerk aus Kanälen, Dämmen, Bambusrohren und Tunneln zurück. 2012 wurde subak in die Weltkulturerbeliste aufgenommen. Zudem besteht seit jeher innerhalb dieser Gemeinschaften ein Solidarsystem, bei dem die gesamte Gemeinde von der Reisernte profitiert. Davon kann sich unsere westliche Wachstumskultur eine dicke Scheibe abschneiden.
Überall gibt es überbordendes Leben, was sich akustisch durch Grillengerassel und Vogelgezwitscher in einer Lautstärke zeigt, bei der hierzulande die Polizei gerufen werden würde, weil der Nachbar die Yoga-CD zu laut laufen lässt. Beim Frühstück im Reisfeld konnten wir einmal in der Ferne beobachten wie sich ein paar Affen durch die Bäume schwangen. Zusammen mit der Naturakustik ein beeindruckendes Schauspiel.
Von Tierbegegnungen blieben Ina und Mirko weitestgehend verschont, nicht nur bei großen Echsen oder Monsterkakerlaken, auch den Wahlhai hat nur der Besuch zu Gesicht bekommen. Ob die Wahlhaibegegnung nun eine Sinnestäuschung war oder nicht, sie war auf jeden Fall das schönste Erlebnis des Tages. Nach dem Schnorcheln konnten wir noch einem weiteren Naturschauspiel beiwohnen, sehr zum Nachteil von Inas Sitzregion. In allen erdenklichen Rottönen und als unmittelbarer Abendrotkonkurrent leuchtete der hintere Teil über mehrere Tage hinweg.
„The Gecko is not dangerous“, trotzdem will man nicht mit einem Riesengecko über dem Kopf einschlafen. Da hilft dann nur balinesische Frauenpower um den Gecko zu vertreiben, während sich der Deutsche hinter seiner deutschen Freundin versteckt. Da steckt nicht mehr viel von den Genen der alten Entdecker in uns. Giftgrüne Schlangen sind dagegen schon gefährlich, auch wenn sie halbtot auf der Straße liegen. Das merkt man, wenn selbst die Einheimischen aus einigen Metern Entfernung mit Steinen nach dem Tier werfen, nachdem man sich mit der Kamera vorher direkt daneben gestellt hatte.
Überall sieht man Affen. Am Anfang ist die Faszination groß, später sind sie wie die Mopeds, einfach immer da.
Die Menschen
Sollten die Balinesen Recht behalten, dass man mit jedem Lächeln ein paar Minuten Leben gut macht, haben wir mit dem Urlaub bestimmt Monate zusätzlicher Lebenszeit gewonnen. Woher man kommt ist wichtig für den Balinesen zu wissen, auch wenn er diese Frage 100.000 mal am Tag stellt. Er ist gut gelaunt und lacht, man kann gar nicht anders als zurückzulachen. Gemessen an der Lachhäufigkeit von Ina und Mirko steht den beiden wohl bald ein Eintrag im Guinnessbuch bevor. Deutsch wie man nun mal ist, geht man auf Ursachenforschung, warum die alle, mit wenigen Ausnahmen, so gut drauf sind, an der geringen Bevölkerungsdichte kann es ja nicht liegen. Das Wetter kommt auch nicht in Frage – viel zu warm. Letztlich vermuten wir, dass die Religion und der Familienzusammenhalt einen großen Anteil tragen. Es wird hier kaum Alkohol getrunken oder andere Drogen konsumiert. Happy geht tatsächlich auch so.
Muezzinrufe, die via Lautsprecher in die Dörfer getragen werden, vermischen sich mit den Geräuschen der Umgebung und erzeugen eine magische Stimmung. Voraussetzung ist natürlich, dass man in der Lage ist, den Verkehrslärm rauszufiltern. Bali ist in erster Linie hinduistisch und in zweiter muslimisch geprägt, was neben der tollen Stimmung leider die Bierpreise nach oben treibt.
Wie gut die Leute drauf sind, merken wir, indem uns Schulkinder hinterherlaufen, Bauern zuwinken oder Autofahrer den gereckten Daumen aus dem Fenster halten. Trotzdem hält diese indonesische Mentalität nicht allem stand. Im touristischen, mehr als überfüllten Kuta im Süden, zeigt das schnelle Geld seine Auswirkungen auf zumindest einige der Einheimischen. Von den dortigen Touristen ganz zu schweigen. Am Ende hält man sich ja immer für was Besseres, ist aber letztlich genauso Tourist, auch wenn man mit dem Rad unterwegs ist. Man spricht dann von „Radoganz“, einem neuen Begriff für Radfahrerüberheblichkeit. Man kennt dieses Phänomen eigentlich nur von pfeilschnellen, grellbunten Rennradfahrern, die einem beim Überholvorgang missbilligend ankucken. Wenn man in diesem Zusammenhang etwas von den Einheimischen lernen will, dann sollte man alles ein wenig lockerer sehen. Zum Beispiel auch, dass der Autor zu faul war den Text zu gendern oder konsequent die Zeitform zu beachten.
Essen & Trinken
Nichts ist wichtiger als Essen! Und das schmeckt, egal auf welchem Fleck der Insel, überall bestens. Nudeln, Huhn, Gemüse, Frittiertes, Tofu und natürlich Reis machen nicht nur Laune beim Essen, sondern geben auch Dampf in die Beine. Überall an der Straße und zu jeder Zeit kann sich der hungrige Radfahrer für wenig Geld in sog. Warungs erfreuen, sehr zur Freude des Gaumens und Schweißflusses, da man hier auch ordentlich scharf essen kann. Bei Mirko hatte man bei scharfem Essen immer ein wenig den Eindruck, dass er gleich ausläuft.
Grundlegend sind beide nur schwer satt zu bekommen, was zumindest bei Mirko in Nachbestellen deutlich wurde. Bei Ina war es eher die Freude auf die Kekspause. Diese wurde nur noch durch die Freude getoppt in einem Deutschen Restaurant zu essen, in dem die balinesischen Muttis im Akkord Kartoffeln für ein wahrhaft deutsches Essen schälten. Abgesehen von Nuancen wie der Unterschied zwischen einem west- und einem ostdeutschen Jägerschnitzel, war das Essen so deutsch und auch noch so gut, dass einem die Hitze und die asiatische Bedienung erst wieder auf den Boden der vulkanerdigen Realität zurückholen mussten. Inas und auch Mirkos Freude war in Anbetracht der langen Reise mehr als nachvollziehbar.
Ebenfalls groß war die Freude auf die Bier- und Fotografiepause, genauso wie die Sonnenpause und die Radpause ganz allgemein. Die Zigarettenpause war auch nicht zu verachten, genauso wie die „kuck doch mal die Aussicht“-Pause und besonders die „Reisfelderfotografier“-Pause. Eine der weltweit umfangreichsten Fotosammlungen von Reisfeldern kann übrigens unseren Fotos entnommen werden. Wobei die teuerste Pause immer noch die Bierpause zu zünftigen Kutschenpreisen war. Wahrscheinlich war das Bier mit 2–3€ die teuerste Kostenstelle überhaupt.
Fazit
…Ist ganz einfach. Bali ist eine Reise wert! Jetzt, wo mir die Finger vom schreiben müde werden, gehen die letzten Zeilen in Richtung der beiden Radnomaden. Visabesorgungen, Impfungen auffrischen (doppelt hält besser #insider), Fotos hochladen, Routen planen, Unterkünfte buchen und bewerten, Blogeinträge verfassen, mit besorgten Eltern skypen und dann auch noch Radfahren ist eine Vollzeitbeschäftigung. Aber ohne Scheiß, dass ist mal ein Traumjob, für den ich mich gern bewerben möchte. Man kann sich darauf verlassen, dass Ina und Mirko immer noch so sind wie sie sind. Ein Besuch bei den beiden ist unbedingt zu empfehlen, da man sie in ihrem Element sehen kann und sie noch einmal neu kennen lernen darf. Sicherlich eines der schönsten Erlebnisse. 🙂
Woi doinkoin oich
bois boild
Gesamtkilometer: 44.899km
zur Bildergalerie (U.a. mit freundlicher Genehmigung von Kathleen R. Vielen Dank!)
Ach schaut das alles gut aus….*sniff*;/
Ist in den Tagen der Bier und Tabak Konsum eigentlich angestiegen? 😀
Kaum!!! 😉
da sind durchaus spannede bilder & frisuren dabei 😉 schöne sache…inspirierend 😉 vg, der officer samt sippe
Hallo ihr Lieben, haben eure wunderschönen Urlaubsbilder schon zwei mal an geschaut. Sind wieder mal sehenswert. Nun warten wir geduldig auf einen Gastbeitrag . Na wird schon werden!!. Wir wünschen euch eine gute Weiterfahrt und bis bald mal wieder per Skype. Wir umarmen und drücken euch ganz doll. Tschüss sagen die Ellies aus L.-O.
Hallo ihr Zwei,
ich muss zugeben das ich in letzter Zeit nicht ganz so emsig eure Berichte gelesen haben. Umso erstaunter bin ich nun, das ihr schon in Kambodscha seit. Es ist der Wahnsinn, so viel Kilometer habt ihr schon hinter euch gebracht und so viel gesehen und erlebt. Sicher hattet ihr mit Katl und Peter viel zu erzählen. Da ist ein Stück Heimat zu euch gekommen. Ich wünsche euch für Asien ebenfalls viele schöne Erlebnisse und kommt weiter gut durch die Welt.
Liebe Grüße von Christine und Walter
Ein toller,gelungener Gastbeitrag. Sehr unterhaltsam und informativ.Danke dafür. Liebe grüße an alle Leser und Leserinnen. Balazs und Kristina. Wir umarmen unsere Radler.
„Radaliens oder Radikalos, die wortkarg auf einer Speiche im Mund herumkauen und einem in ihrem Windschatten dreimal in Rekordgeschwindigkeit um Bali herumzerren“
Aber nur weil du die 2 mit Bier bzw. Keksen beruhigt hast. 🙂