Waterford West – Barcaldine, Australien

Mulga Bill und die radelnden Glücksritter

Nach den erholsamen Tage bei unserer lieben Franny in Brisbane und einem Kurzausflug ins neuseeländische Auckland hält es uns nicht länger auf dem Sofa und wir schwingen unsere verwöhnten Hinterteile auf die harten Ledersättel. Flugmeilen und steriler Flughafenatmosphäre, Klimaanlagen und warmen Betten zum Trotz wollen wir nun endlich das wahre Australien kennenlernen und etwas roten Staub schlucken. Doch bevor wir uns ins Inland stürzen und das rund 3.800km weit entfernte Darwin anpeilen, radeln Jane und Tarzan erst einmal durch den Stadtdschungel von Brisbane.

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Der Zubringer in die Stadt ist der leider so ganz und gar nicht schöne Radweg entlang des Motorways 3, laut, stinkend und betoniert. Doch einmal im Stadtzentrum angekommen erwartet uns der schöne botanische Garten, wo wir die wohlverdiente Mittagspause im Schatten der Bäume und am Ufer des Brisbane River verbringen und dabei die bunte Melange aus Geschäftigkeit und Erholung beobachten. Ganz nebenbei – für die Statistiker und Zahlenliebhaber unter Euch – erreichen wir die Kilometermarke von 40.075km, einmal Äquatorlänge. Wir könnten also eigentlich nach Hause, aber wer will das schon?

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Am Brisbane River

Entlang des Brisbane River und durch verschiedene Stadtparks erreichen wir recht entspannt die nördlichen Aussenbezirke von Brisbane und werfen unser Zelt wegen des drohenden Regens auf einen recht schäbigen Dauercamperplatz. Es regnet in Strömen als wir unsere verschlafenen Köpfe am Morgen aus dem Zelt strecken. Wir haben allerdings keine Lust auf einen Regentag im Zelt, also verbringen wir den Regentag lieber im Zug – wieder mal. Wir genießen den Perspektivwechsel und 3 Stunden und 80km später wirft uns die ratternde Maschine in einem Ort Namens Nambour auf den trockenen Bahnsteig. Super, da können wir uns nach der wieder einmal wohlverdienten 😉 Mittagspause doch noch für ein Stündchen auf die Drahtesel schwingen und in den lustige klingenden Ort Bli Bli radeln. Immer noch recht verwöhnt mischen wir uns unter die graue Campergemeinde des örtlichen Caravan Parks. Durch die unerwartete Zeitgutschrift gönnen wir uns einen letzten Abstecher an die Küste bevor wir uns endgültig ins Outback verabschieden. Der Weg entlang der sogenannten Sunshine Coast führt uns durch sonnenverwöhnte Örtchen wie Pacific Paradise, Marcoola oder Coolum Beach. Leider lässt sich in den unergründlichen Tiefen unserer Packtaschen kein Surfbrett finden und wir müssen den ein oder anderen Break auslassen.

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Surferkolonnie an der Sunshine Coast

 

Unser erstes Etappenziel Richtung Inland heißt Eumundi und das nicht wegen des größten Marktes in der südlichen Hemisphäre, wie uns mehrfach berichtet wird, sondern wegen der netten Einladung von Frannys Tochter Julie und ihrem Mann Ken, die in einem Häuschen irgendwo in den Wäldern rund um Eumundi wohnen. Leider erweist sich das Auffinden der angegeben Adresse als einigermaßen schwierig, sie existiert einfach nicht. Wir erkunden also einfach ALLE umliegenden Wälder und machen uns mit den weit verstreuten Anliegern bekannt. Doch niemand der vermeintlichen Nachbarn kennt die aufgeschriebene Adresse. Während der Suche machen wir Bekanntschaft mit einer neunköpfigen Pfarrersfamilie auf ihrem Rückweg aus der Kirche. Die Familie hat keinen festen Wohnort und reist seit vielen Jahren quer durch Australien. Anfangs noch mit einem kleinem Wohnmobil und einem Kind, sind sie mittlerweile mit sieben Kindern und einem umgebauten Schulbus unterwegs! Da wird nicht gekleckert bei den Christen. Nach einem kurzen Erfahrungsaustausch kommt uns die glorreiche Idee, deren Telefon zu benutzen um unseren Freundin Julie anzurufen. 10 Minuten später stehen wir grinsend vor unseren sich tausendfach entschuldigenden Gastgebern. So was passiert wenn aus der Main Camp Road die Main Road wird! Australier sind bekannt dafür und mitunter recht stolz darauf, Sprache zu kürzen. 😉

Doch was lange währt, wird gut! Und so erleben wir einen dieser perfekten Abende, wo einfach alles zusammen passt. Ein liebevolles Essen, toller Wein, anregende Gespräche und eine Chemie, die auf Anhieb stimmt. Gesucht und gefunden, vielen Dank an dieser Stelle nochmal an Julie und Ken. Wir sehen uns wieder, bestimmt!

Noch ganz berauscht vom Vorabend mühen wir uns weiter Richtung Westen ins „Hinterland“, wie das Land hinter der Sunshine Coast auch häufig genannt wird. Wir passieren die Städtchen Pomona, Coora und die alte Goldgräberstadt Gympie, von der man sagt, sie habe den Bundestaat Queensland einst vor dem Bankrott gerettet. Nach Gympie überqueren wir den Mary River, in dem James Nash 1867 das „Gympie“ Gold entdeckte, und biegen auf den Wide Bay Highway Richtung Kilkivan ab. Hier stoßen wir in Tansey auf den Burnett Highway und folgen diesem bis zu den Ban Ban Springs, die heilige Quelle des Wakka Wakka Stammes, welche auch als Versammlungsort diente. Wie treffend, denn wir begegnen hier dem Liegeradfahrer, Bienenzüchter und Frackinggegner Chris auf dem Weg zu einem Protestcamp. Wir unterstützen sein Engagement und wenn Ihr mögt, teilt bitte den #boganwithaslogan, denn mit Fracking (konventionell oder unkonventionell) bekommen wir die Klimakuh sicher nicht vom schmelzenden Eis und auch in Deutschland herrscht diesbezüglich Handlungsbedarf.

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Chris, the Bogan with a Slogan

Außerdem treffen wir an diesem heiligen Versammlungsort auch noch eine ältere Dame. Sie ist wie wir unterwegs ins Outback, um bei einer Familie Nachhilfeunterricht für Schüler der School of Air zu geben. Diese Schulen wurden aufgrund der großen Distanzen eingeführt und unterrichten Schüler im ländlichen Gebieten mit Hilfe von Funk und Internet.

Nach einem gemeinsamen Frühstück mit Chris am nächsten Morgen verlassen wir Ban Ban Springs und strampeln nachdenklich auf dem Burnett Highway nach Mundubbera. Es scheint die Zeit der Begegnungen. Am Abend des „State of Origin„-Finales (Australiens größtes Sportereignis), stößt Wayne aus Gold Coast mit seinem Reiserad zu unserer Reisegruppe. Wayne tourt für ein paar Wochen ohne bestimmtes Ziel durch Australien, ist begeistert von unserer Reise und leistet uns für eine Nacht und einen Tag Gesellschaft. Zu dritt legen wir also die Etappe nach Eidsvold zurück und Wayne verwöhnt uns unterwegs mit Gedichten von Andrew Barton „Banjo“ Paterson. Jeder kennt wohl seine heimliche Nationalhymne Australiens „Waltzing Matilda“, welche sich um einen freiheitsliebenden Landstreicher dreht, der ein recht radikales Ende findet. Wir beiden Nomaden/Landstreicher finden hoffentlich ein weniger rabiates Ende. Als leidenschaftliche Radfahrer hat uns Mulga Bills Geschichte gut gefallen und deshalb will ich Euch diese, soweit ich mich erinnere ;-), nicht vorenthalten.

‚Twas Mulga Bill, from Eaglehawk, that caught the cycling craze;
He turned away the good old horse that served him many days;
He dressed himself in cycling clothes, resplendent to be seen;
He hurried off to town and bought a shining new machine;
And as he wheeled it through the door, with air of lordly pride,
The grinning shop assistant said, „Excuse me, can you ride?“

„See here, young man,“ said Mulga Bill, „from Walgett to the sea,
From Conroy’s Gap to Castlereagh, there’s none can ride like me.
I’m good all round at everything as everybody knows,
Although I’m not the one to talk – I hate a man that blows.
But riding is my special gift, my chiefest, sole delight;
Just ask a wild duck can it swim, a wildcat can it fight.
There’s nothing clothed in hair or hide, or built of flesh or steel,
There’s nothing walks or jumps, or runs, on axle, hoof, or wheel,
But what I’ll sit, while hide will hold and girths and straps are tight:
I’ll ride this here two-wheeled concern right straight away at sight.“

‚Twas Mulga Bill, from Eaglehawk, that sought his own abode,
That perched above Dead Man’s Creek, beside the mountain road.
He turned the cycle down the hill and mounted for the fray,
But ‚ere he’d gone a dozen yards it bolted clean away.
It left the track, and through the trees, just like a silver steak,
It whistled down the awful slope towards the Dead Man’s Creek.

It shaved a stump by half an inch, it dodged a big white-box:
The very wallaroos in fright went scrambling up the rocks,
The wombats hiding in their caves dug deeper underground,
As Mulga Bill, as white as chalk, sat tight to every bound.
It struck a stone and gave a spring that cleared a fallen tree,
It raced beside a precipice as close as close could be;
And then as Mulga Bill let out one last despairing shriek
It made a leap of twenty feet into the Dean Man’s Creek.

‚Twas Mulga Bill, from Eaglehawk, that slowly swam ashore:
He said, „I’ve had some narrer shaves and lively rides before;
I’ve rode a wild bull round a yard to win a five-pound bet,
But this was the most awful ride that I’ve encountered yet.
I’ll give that two-wheeled outlaw best; it’s shaken all my nerve
To feel it whistle through the air and plunge and buck and swerve.
It’s safe at rest in Dead Man’s Creek, we’ll leave it lying still;
A horse’s back is good enough henceforth for Mulga Bill.“

Erstmals veröffentlicht in der Sydney Mail am 25. Juli 1896.

So gut unterhalten erreichen wir das Örtchen Eidsvold wo wir uns nach einem gemeinsamen Mittagessen, leider auch schon wieder von unserem lyrischen Freund verabschieden, dessen Zeilen noch einige Tage lang in meinem Kopf nachhallen. Wie es der Zufall will, begegnen wir beim angesprochenen Mittagessen auch noch dem jungen Journalisten Philippe, der es sich natürlich nicht nehmen lässt unsere Geschichte in die lokale Presse zu schiessen. Das Ergebnis seht Ihr hier.

Danach entlässt uns Eidsvold in das lange und einsame Outback. Nicht selten liegen einhundert Kilometer und mehr zwischen den manchmal winzigen Ansiedlungen, die uns jedoch mit dem Notwendigsten, wie zum Beispiel Wasser, versorgen. Die Erde nimmt langsam die für Australien so typische rote Färbung an und die Strassen sind oftmals endlose gerade Striche in der Landschaft. Nach den vielen Tagen entlang der belebten Küste genießen wir die Einsamkeit und können uns so richtig in unserem eigenen Rhythmus treiben lassen. So unterwegs zu sein hat für mich etwas zutiefst Ursprüngliches wie das Leben selbst: Aufbrechen, Rasten, Weiterziehen, Ankommen, Niederlassen und wieder Aufbrechen. Dabei ist die Natur keineswegs langweilig wie es sich vielleicht der ein oder andere vorstellen mag. Die Landschaftsformen sind vielfältig und die Flora und Fauna sind einfach atemberaubend zahlreich und andersartig. Kein Tag vergeht ohne eine Pflanze, ein Tier oder Insekt, die wir noch nie zuvor gesehen haben.

 

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Baumwollfarmen, Flaschenbäume, endlose Grasslandschaft, zahllose Vogelarten und ein großer Leguan auf der Strasse – es wird nicht langweilig.

Langsam doch beständig ziehen wir immer weiter gen Westen, auf der State Road 73 nach Theodore und dann ein Stück auf dem, nach einem deutschen Entdecker benannten Leichhardt Highway weiter nach Moura. Auf dem Dason Highway geht es durch Rolleston nach Springsure und auf dem Gregory Highway nach Emerald mit einem kurzen Abstecher zum Stausee Maraboon. In Emerald legen wir einen Tag Pause ein, den wir nutzen um Inas Vorderrad zu ersetzen. Dieses hatte sich auf den letzten 250km langsam aber sicher an mehreren Stellen aufgelöst und uns mehrere unerwünschte Reparaturstopps sowie einiges Kopfzerbrechen beschert.

Gleich um die Ecke befindet sich das kleine Örtchen Sapphire, wo man an mehreren Stellen sein Glück beim Schürfen nach dem gleichnamigen Edelstein versuchen kann. So werden wir für einen halben Tag zu Edelsteinschürfenden. Das Glück ist uns hold und wir verlassen die „Goldgrube“, nur knapp dem Goldrausch entronnen, mit einem „good wash“, wie es in Fachkreisen heisst.

 

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Schürfaktion in Saphire

Leider reicht unser Fund nicht für einen Campervan und so besteigen wir recht berauscht wieder unsere Drahtesel und folgen den letzten Kilometern des Capricorn Highways nach Barcaldine. Unterwegs treffen wir auf eine Gruppe von 16 Kamelen, gefangen in der Nähe der Simpson Desert, und ihre 5 1/2 Reiter*innen. Diese ziehen für einige Monate als Wohltätigkeitsprojekt für Beyond Blue durchs Land und wir halten einen kurzen Schwatz am Straßenrand. Verrückt, diese Australier! Kurz vor Barcaldine campen wir nochmal im Bush an einem Billabong unter einem Coolibah. Warum ich das schreibe? Ihr erinnert Euch noch an Waltzing Matilda?

Once a jolly swagman camped by a billabong,
Under the shade of a coolibah tree ….

Die Geschichte nimmt vermutlich Bezug auf einen Vorfall während des Schafscherer-Streiks im Jahre 1894 im nahegelegenen Winton. Dieses Ereignis wiederum wird als die Geburtsstunde der Australischen Labor Party angesehen und der Ort Barcaldine, in dem sich der Tree of Knowledge befindet und von wo aus ich Euch diese Zeilen schreibe, spielte dabei eine Hauptrolle.

Ihr seht, wir sind hier in große historische Ereignisse verwickelt… Doch keine Bange, wir halten Euch auf dem Laufenden. Stay tuned!

Mann, ist das heiss hier!……

erstrampelte Distanz: 41.385km

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2 Gedanken zu „Waterford West – Barcaldine, Australien“

  1. krasse wurst, kein surfbrett in der radtasche…wie konnte das nur passieren? wir hoffen mit euch, dass ihr mit dem neuen vorderrrad nun bis zum ende der tour pannenfrei bleibt und auch sonst weiterhin ohne wirkliche probleme die welt erkunden könnt! hat der fracking gegner eigentlich noch eine andere hose?`na wie auch immer, weiterhin alles gute und nehmt ab jetzt lieber immer einen eimer wasser mehr mit als bisher und passt weiterhin gut auf euch auf! bis hoffentlich bald, officer samt sippe

    heimat-update: reisewarnung für bayern (siehe link)

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