Sombra, Kanada – Davenport, IA, USA

Get your kicks on route…

Unsere geplante Reise über die Michigan Halbinsel ist eher eine „Verbindungsstrecke“ einfach gerade gen Westen. Umso überraschter sind wir, als wir nach einigen Kilometern den Lakeland Trail auf unserem Weg entdecken. Dieser führt wieder einmal über eine stillgelegte Bahnstrecke. Eine Einladung, der wir gern folgen, da es entlang solcher Trails meist gute Campingmöglichkeiten gibt, keinen störenden Strassenverkehr und die Trails teilweise regelrecht als Parks ausgebaut sind. Also alles sehr idyllisch, nur die Mücken und die steigenden Temperaturen bei hoher Luftfeuchtigkeit machen uns manchmal zu schaffen.

Glücklicherweise ist der Lakeland Trail nicht der einzige Trail, welcher Richtung Lake Michigan führt. So dürfen wir auch noch entlang des Milford-Trail von Milford nach Kensington und des Kal-Haven-Trail von Kalamazoo nach South Haven kurbeln.

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Beschilderung am Kal-Haven-Trail

Zwischen den Trails geht es durch die Townships von Michigan. Diese Townships bestehen aus endlosen, schachbrettmusterartigen Gebieten von Einfamilienhäusern ohne erkennbares Zentrum oder einen Ortskern. Ziemlich monoton, für uns aber eine willkommene Abwechslung. Leider sind die Autofahrer_innen nicht immer die rücksichtsvollsten in ihren massiven, schnellen Pick-Up-Trucks, was schon mal den einen oder anderen Wutanfall unsererseits hervorrufen kann. Trotzdem fühlen wir uns sehr sicher auf den nordamerikanischen County Roads und Highways, sogar dann, wenn die Sicht durch Regen getrübt ist. Der war in Michigan häufiger unser Begleiter, ob nun auf der Strasse oder beim Zelt einpacken, Zelt aufbauen, Kochen und in allen anderen Situationen, in denen es gerade richtig gut passt. 😉 Die Bilder täuschen hier ein wenig, da die Devise bei Regen lautet: „Augen zu und durch“. Die Kamera bleibt dabei meist eingepackt. Sorry!

Erwartungsfroh erreichen wir nach sechs Tagen den Lake Michigan im beschaulichen South Haven. Etwas südlicher, in St. Joseph, schlagen wir zur Abwechslung unser Zelt mal wieder in einem Jachthafen auf und freuen uns über eine kostenlose Dusche, ein immer wieder gern gesehener Luxus nach einigen Tagen mit geringen hygienischen Annehmlichkeiten. 😉

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Marina St. Joseph

Immer am Seeufer entlang gen Süden erreichen wir am Abend und bei Regen den Dunewood Campground mit der Hoffnung auf ein Plätzchen im Wald. Doch leider Fehlanzeige. Bereits vor dem Eingang prangt ein grosses Schild „Full“. Wir lassen uns von derartigen Kleinigkeiten jedoch nicht abschrecken und biegen trotzdem in den Campingplatz ein. Wir erfahren von einem anderem Radfahr-Pärchen aus Chicago, dass einige Camper aufgrund des Regens abgereist sind. So schnappen wir uns den nächsten freien Platz, der bereits bis zum nächsten Morgen bezahlt ist und freuen uns über die kostenfreie Übernachtung. Doch pünktlich nach einem wie immer köstlichen Abendmahl bringt es den Camper unseres (schwarz) besetzen Platzes doch noch angedreht. Mist!

Doch die Lösung liegt nah. Gleich einige Plätze weiter liegen die beiden anderen Radler und wir tragen unser Zelt eben kurz auf deren Platz und sind dort auch herzlich willkommen. Irgendwie fügt sich eben alles zueinander. 😀 Bei der Gelegenheit erfahren wir auch gleich noch die 5 „must Does“ für Chicago. Danke an Tom und Sarah!

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Sarah & Tom haben innerhalb von drei Wochen den Lake Michigan umrundet

Es ist immer wieder schön, andere Radler zu treffen… und hilfreich ist es meisten auch noch.

So treffen wir am darauffolgenden Tag auf dem Weg nach Chicago kurz nach unserem Start auf Mike. Mike ist ambitionierter Radfahrer und regelrecht überschwänglich begeistert von dem, was wir tun. Er begleitet uns einige kurzweilige Kilometer auf dem Weg Richtung Großstadt. Wie wir von bereits von verschiedenen Seiten gehört hatten, sollen die südliche Vororte von Chicago wohl nicht ganz ungefährlich sein. Wir umfahren dank Mikes Hilfe den „gefährlichsten Ort“ der USA, Gary. Vielen Dank dafür und für die nette und motivierende Unterhaltung!

Doch Mike soll nicht der letzte Radfahrer sein, den wir auf unserem Weg nach Chicago treffen. Just in dem Moment, als der in die Südvorstadt führende „sichere“ Trail endet, begegnet uns Vincent. Aus Sorge um uns beschließt er, seinen sportlichen Sonntagnachmittag damit zu verbringen, uns durch den „gefährlichen“ Abschnitt bis zum Chicago Lakefront Trail zu begleiten. Und ganz ehrlich, während wir den Abschnitt durchqueren, bin ich heilfroh über dieses Angebot. Selbst bei Tageslicht möchte ich hier nicht eine Minute stehen bleiben, besonders wenn ich daran denke, dass das Führen einer Knarre in den USA völlig legal und in einigen Abschnitten auch „üblich“ ist. Vincent zeigt uns auf dem Weg durch die „bad neighborhoods“ auch die installierten Überwachungskameras.

Wie gesagt: Es ist immer wieder schön, andere Radfahrer zu treffen.

Schön ist es auch, nach 108km mit am Ende stressigem „Stadtverkehr“ in Chicago anzukommen. Und angekommen sind wir, doch irgendwie nicht da, wo wir wollten. Statt vor einem Haus mit unseren Warmshowers-Gastgebern stehen wir vor einer alten Industrieruine. Da ist wohl was schief gelaufen und dunkel wird es auch bald. Also auf zum nächsten Mc Donald´s mit Free WIFI und nochmal Mails checken. Ah, die Adresse ist ein ganz andere als auf unserer Karte markiert, aber zum Glück gleich um die Ecke. Vier Kilometer weiter und im Halbdunkel stehen wir vor einem Haus mitten im mexikanischen Viertel. Einige zwielichtige Gestalten tummeln sich vor der Haustür, doch ein Namensschild oder gar eine Klingel ist weit und breit nicht zu sehen. Eine kurze Nachfrage und eine noch kürzere und kaum verständliche Antwort ergibt jedoch: Wir sind richtig! Geschafft! Nach diesem Ritt gönnen wir uns einen ordentlichen Imbiss um die Ecke beim freundlichen Mexikaner. 😉

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Ankunft in Chicago

Zwei Tage lang genießen wir die „Windy City“ und die Gastfreundschaft von Ellen und Trevor. Den ersten Tag geht es – die Touri-Tour eben – nach Downtown mit Millenium Park, Thompson Center, Navy Pier und Riverwalk. Außerdem arbeiten wir an den 5 „must Does“, die da waren: Chicago Beer, Deep dish Pizza, Architektur an der Michigan Av., Lakefront Trail (bei der Anreise schon erledigt) und Art Institute. Den Abend lassen wir bei einem Live-Konzert von Matthew Street im Millenium Park ausklingen. Während wir da so im Park sitzen und der Musik lauschen, unter tausend Anderen und als wäre es das Normalste der Welt, befällt mich das Gefühl, Teil von etwas ganz Besonderem zu sein. Ein toller Abend!

Und weil das erste „must Do“ so schön war, starten wir am zweiten Tag gleich nach dem Frühstück mit einer zünftigen Brauerei-Besichtigung. Üblicherweise werden ja solche Besichtigungen mit einer kleinen Kostprobe abgeschlossen. Doch nicht so in der Lagunitas Brauerei. Hier beginnt die Führung mit der Verkostung der besten Sorten. Natürlich sind alle Sorten „the Best“. So leeren wir 6 Becher dieser Köstlichkeiten von 6% – 9% (für mich gar 7, da ich eins von Ina übernehmen „muss“) bei Gaslight Anthem, Video Games und Small Talk. Alkoholgeschwängert geht es dann zur Führung oder besser gesagt zum Schauspiel. Mit voller Leidenschaft, schwitzend, gestikulierend und mit manch lautem und leisem Ton wird die Geschichte der Brauerei und die Herstellung dieser herrlichen Köstlichkeiten „performt“. Als Besonderheit werden auch die 6 deutschen angestellten Braumeister erwähnt, welche als Ingenieure und Erfahrungsträger (Zitat: „mit Erfahrungen, älter als die USA selbst“) eine besondere Bereicherung darstellen. Dies löst unsererseits natürlich lautstarke Zustimmung aus, in die alle Teilnehmer (feucht)fröhlich einstimmen.

Leicht benommen von dieser Erfahrung besuchen wir auch noch das Projekt „Working Bikes“, in dem unser Gastgeber Trevor als Freiwilliger tätig ist. Über 5.000 gespendete Fahrräder pro Jahr werden von da aus in regelmäßigen Abständen als Spende nach Zentral- und Südamerika sowie nach Afrika verschifft. Außerdem gibt es einen Shop für gebrauchte Räder und eine Selbsthilfe-Werkstatt. Und während Mirko sich ein neues Cockpit-Setup verpasst, sortiert Ina (ganz in Freiwilligenmanier) gebrauchte Sattelstützen. Super Geschichte, wie wir finden. Mehr dazu erfahrt ihr auf der Webseite workingbikes.org

Wir haben uns jedenfalls in Chicago sehr wohl gefühlt und man kann es gar nicht recht beschreiben, es liegt etwas in der Luft was einen verzaubert an dieser Stadt. Vielleicht waren es unsere offenherzigen Gastgeber, der etwas rostige Charme mancherorts oder die laut ratternden Hochbahnen, die auf ihren massiven Stahltrassen ihre Runden durch die Stadt ziehen.

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Ellen, Trevor, Ina und Mirko 🙂

Auf Empfehlung von Trevor verlassen wir die Stadt Richtung Südwesten zum I+M Canal Trail, welcher uns bis nach LaSalle-Peru führt. Doch bevor wir den Kanal erreichen, fahren wir noch ein Stück entlang der wohl berühmtesten Strasse der USA, die Route 66. Über ihre Berühmtheit hinaus haben wir allerdings nichts Besonderes zu berichten. Bis auf die „historischen Markierungen“ ist sie für uns eine Strasse wie jede andere.

Vom I+M Canal Trail aus wechseln wir auf den Hennepin Canal Trail an dessen Ende wir in Davenport den großen Mississippi erreichen. Unsere Tage entlang dieser beiden Kanäle sind von unserem Radleralltag geprägt, den wir nach wie vor sehr genießen, wenn auch nicht immer. Besonders dann nicht, wenn wir bei 34°C in der Sonne brutzeln, nur gekühlt vom Fahrtwind und uns abends Heerscharen von Mücken überfallen. Wie unser USA-Radleralltag aussieht, werde ich Euch im einem der nächsten Beiträge gern schildern. Doch jetzt ist erst einmal Schluss, der Tag auf unserem fantastischem Campingplatz direkt am Mississippi (Hampton) will noch genossen werden.

Während ich diese Zeilen schreibe, werden gerade die glücklichen Gewinner unserer Preisrätsels von unseren Zeltnachbarn ermittelt. Die Postkarte geht an…. Trommelwirbel…. Kristina T. aus L.-O. Herzlichen Glückwunsch! Du hast bald Post.

Die richtige Antwort lautete: Hudson River.

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Auslosung des Monatsrätsels mit Glücksfee Trinity

Damit es Euch zwischen den Blogeinträgen nicht langweilig wird, haben wir eine neues Rätsel für Euch. Aufgrund vielfacher Beschwerden über den Schwierigkeitsgrad der letzten zu lösenden Aufgaben, machen wir´s diesmal etwas einfacher 😉 :

Welches Gebäude war neun Jahre lang, von seiner Vollendung im Jahr 1969 bis 1978, das insgesamt höchste Hochhaus der Welt?

Bitte sendet Eure Antwort mit Angabe Eurer vollständigen Postadresse an unsere E-Mail-Adresse minartw@gmail.com. Einsendeschluss ist der 15. August 2015.

Viel Spass beim Rätseln und Ciao sagen Eure beiden Radnomaden

Ina und Mirko

Gesamtkilometer: 6.135km

Gesamtaufstieg: 25.706m

zu den Bildern

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

6 Gedanken zu „Sombra, Kanada – Davenport, IA, USA“

  1. hallo ihr zwei radnomaden. Was für ein toller Start in die neue Woche. Gestern eine überraschende Skyperei in super Qualität und dann noch wunderschöne Bilder und ein ,wie immer, interessanter Bericht und als Krönung des ganzen ein Sieg!!! Danke an die Glücks fee. So habe keine Zeit mehr ,gehe arbeiten. seid gedrückt von Balazs und Kristina.

    1. Hallo ,ihr Beiden. Wir wünschen euch einen wunderschönen Radlersonntag. Vielen Dank für die Karte aus Chicago. Ist am Freitag angekommen. Endlich mal wieder eine Karte aus Amiland. Vor vielen Jahren hatten wir mal eine aus NY. (von Claudia). Also dann trettet mal schön in die Pedalen. Wir warten auf Neues aus der grossen weiten Welt. Wir umarmen und drücken Euch Balazs und Kristina.

  2. Hallo ihr zwei Weltenbummler,
    wieder ein toller Reisebericht. Haben alles stehen und liegen gelassen, um wieder neues von euch zu lesen und neue Bilder zu sehen. Wir freuen uns, dass es euch gut geht. Mann könnte richtig neidisch werden, was ihr so alles erlebt…

    Ganz liebe Grüße aus der Heimat von Rita und Peter

  3. jungs & mädels,
    das sind in der tat wieder sehr schöne bilder und ein wunderbarer bericht. das mit der brauerei hätte mich auch interessiert und der ansatz mit der verkostung vor der führung ist nicht schlecht 😉 so vorbereitet hätte ich vielleicht auch eine antwort auf die folgenden fragen:
    1) warum heißen drei der b.zschäpe-anwälte sturm, stahl und heer (das ist kein scherz)?
    2) warum schweigen die lämmer (siehe link)?
    wie auch immer, soviel nun erstmal wieder aus der heimat. toi toi toi weiterhin euch beiden, alles gute und immer genügend luft in den reifen wünschen dir vier leipziger

    1. Hey Andre, Danke an dieser Stelle nochmal für deine Aufklärungsarbeit sowie die tolle Motivation, die aus deinen Kommentaren resultiert. Da ich heute leider noch kein Bier getrunken habe, bin ich leider auch nicht im Stande deine Fragen zu beantworten. Deshalb werde ich jetzt Herrn Mausfeld lauschen während ich stupide auf den Mississippi starre und in der Sonne bruzel. Große Umarmung für Euch 4 Mirko

  4. Hallo ihr zwei sattelhasen,

    Mein Sonntagmorgen-Ritual besteht neben Teatime fast immer auch aus Blog-Schnorcheln und siehe da, ein neuer Eintrag! Und jedes Mal denk ich, wow, wie schnell ihr seid und welch tolle Eindrücke… Da ja meine geografischen Kenntnisse nur im ERZ-Kreis hervorragend sind, dachte ich, wie toll, die Ammis haben extra wegen euch den Canal so benannt… Ina und Mirko canal… Nun gut, kann auch anders heißen, das hab ich bei den Fotos gesehen 😉

    Sonst geht’s mir sehr gut. Es gibt eine Nachfolgerin für den runden Walfisch 😉 ist dir sehr bekannt! Die GUTEn kommen zu uns – da braucht man keine Worte *zwinker-zwinker* So liebe Ina, dreimal darfst du raten, wer das ist! Haha, des Rätsels Lösung kannst du gern in Form einer Postkarte an mich senden…

    Einen herzallerliebsten Drücker und weiterhin eine stressfreie Radelei

    Sandra

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