Melbourne – Sydney, Australien

Kalte Füsse an der Boomerang-Küste

Es ist nicht einfach nach dem erneuten melbournischen Verwöhnprogramm, offeriert von unseren lieben Freunden Jason und Rod, wieder auf die Räder zu steigen. Nach langer Zeit der Unentschlossenheit, welchen Weg wir denn nun über den Kontinent nehmen wollen, schlagen wir den Weg Richtung Osten ein. Also auf zur „Boomerang-Küste“, wie der Küstenabschnitt zwischen Adelaide und Brisbane auch häufig genannt wird.

 

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Trotz der ersten wackeligen Kilometer gewöhnen wir uns schnell wieder an unseren Fahrradtrott, der durch den überraschend vor uns auftauchenden „Gippsland Plains Rail Trail“-Radweg noch erleichtert wird. Dieser führt uns abseits aller Strassen durch dünn besiedeltes Gebiet und wir strampeln meistens stundenlang durch nahezu unberührte und für uns immer noch teils befremdliche Wildnis. Wir erleben immer wieder spannende Konzerte uns unbekannter Vogelstimmen, z.B. des Bellbird und besonders nachts scheint die Natur rund um unser Zelt zu unheimlichem Leben zu erwachen.

Die Entfernungen zwischen den kleinen Ortschaften liegen nicht selten bei mehr als sechzig Kilometern und deshalb transportieren wir meist eine Extra-Ration Vorräte aus den reichhaltig bestückten Supermärkten. Unsere ersten Stationen auf dem Weg zur Küste heißen Moe, Rosedale, Bairnsdale und Orbost. Von Letzterem aus nehmen wir einen kleinen Umweg zum Küstenörtchen Marlo und dem schönen Landstrich hin zum Cape Conran.

Am Cape Conran erwischt es uns dann zum ersten Mal auf dem Festland so richtig mit Regen. Noch während der kleinen morgendlichen Wanderung durch die ursprüngliche Natur des Costal Trail, beginnt es ordentlich zu schütten und wir dürfen den Vormittag unter dem Vordach eines Toilettenhäuschens verbringen. Zum Aufwärmen gibt es zwischendurch Kaffee und Kekse. Wir verlassen schließlich das Cape gegen Mittag als der Regen endlich aufhört. Weit kommen wir allerdings nicht. Nach einigen langweiligen Kilometern auf dem Princess Highway öffnen sich wieder die Himmelsschleusen und wir packen unser Zelt auf einen der Rastplätze am Strassenrand. Die meisten Aussies hebt das kaum an und wir werden eher mit freundlichen denn mit verwunderten Blicken gegrüßt. Man stelle sich nur mal vor man würde in Deutschland auf einem Autobahnrastplatz sein Zelt aufstellen…

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Camping am Princess Highway, sehr idyllisch

Der Jahreszeit (Spätherbst) entsprechend sind die Temperaturen bei ausbleibender Sonne recht unangenehm und das ewige Pendelspiel zwischen dick Einpacken, Losradeln, Schwitzen, Ausziehen, Frieren, dick Einpacken u.s.w. scheint recht erkältungsfördernd zu sein. Deshalb legen wir zur Erholung und bei aufklarendem Himmel im kleinen Örtchen Cann River, welches mit einem parkähnlichen kostenfreien Campingplatz aufwartet, eine wärmende Pause ein. Unseren freien Tag verbringen wir wahlweise zwischen Kocher (Kaffee!), Supermarkt (Essen!), Community Center (Internet- Entertainment!) oder Zelt (Schlafen!), während immer mal wieder einer der Camping-Nachbarn zum kleinen Plausch vorbei kommt. Das gehört hier unter Campern zum guten Ton. Zur nervigen Seite gehören dann nächtliche Opossum-Besucher, die auf Fahrrädern herumklettern und an Radtaschen kratzen. Vielen Dank an die fütternden Camper, tsss!!!

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Cann River Caravan Park

 

Über das kleine halbverwaiste Dörfchen Genoa, wo es erneut einen kostenfreien Caravan Park für uns gibt, erreichen wir bei einsetzendem Schwerstregen die Kleinstadt Eden an der Küste. Wir checken umgehend im örtlichen Campingplatz „Garden of Eden“ ein und besetzen die wohnliche, voll ausgestattete und beheizte Campingküche während sich Regen und Sturm draußen ordentlich austoben. Nach mehreren Stunden Regen ist der Campingplatz komplett durchgeweicht und wir haben keine Motivation bei weiter anhaltendem Regen unser Zelt aufzubauen. Deshalb machen wir uns es zum Schlafen in der Campingküche gemütlich und lassen uns von „Herr der Ringe – Die Gefährten“ in den Schlaf begleiten. Der Regen und die uns umgebende, den Australiern eigene Gelassenheit, verleiten uns dann doch alle Fünfe gerade sein zu lassen und einen weiteren Tag in Eden zu verbringen – es gibt schließlich Schlimmeres! 😉

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Ein Tag in Eden

Mit Eden sind wir nun auch an der eindrucksvollen Sapphire Coast und – nach Tasmanien und Victoria – in unserem dritten australischen Staat, New South Wales, angekommen. Die Region ist bekannt für tolle Strände und glasklares Wasser und so schwingen wir uns wieder auf die Räder und biegen auf den Tourist Drive Nummer 9 ein, die Region zu „erfahren“. Vorbei geht es an himmelblauen Seen, pittoresken Fischerdörfern, sandigen Buchten, protzenden Golfplätzen, hüpfenden Kängurus und gut gepflegten Nationalparks. Am Rande des Bournda Nationalparks am See Wallagoot schlagen wir dann auch unser Zelt auf und genießen die Ruhe der untergehenden Sonne über dem spiegelglatten See.

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Lake Wallagoot

 

Unsere nächste Station heißt Bermagui und wartet mit einer bösen Überraschung auf. Als wir uns nach einem sonnendurchfluteten Radtag gerade auf einer schönen Wiese im Ort niederlassen, stellen wir mit Erschrecken fest, dass ein essentielles Teil unseres Kochers abhanden gekommen ist und der Nachmittagskaffee wohl erst einmal ausfällt. Das blöde Ding muss im letzten Camp ins Gras gefallen sein. So ein Mist! In Ermangelung eines Ersatzteils besinnen wir uns unserer Improvisationskunst und bauen uns unseren Kocher selbst. Nach einem kurzen Einkauf und etwas Koffeeinzufuhr halten wir das funktionierende Ergebnis in unseren Händen, den Coladosenkocher.

So gerüstet genießen wir die weitere Strecke immer entlang der Küste Richtung Norden: eine Bucht schöner als die andere und viele Plätze laden zum Surfen, Baden und Verweilen ein, die guten Versorgungsmöglichkeiten ermöglichen ein sorgenfreies Radritterleben.

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Nach ein paar Tagen entlang der meist dünn besiedelten traumhaften Küste nimmt die Bevölkerungsdichte spürbar zu. Wir nähern uns Sydney und müssen nun immer öfters auf stärker befahrene Highways ausweichen. Das ist bei den oftmals rücksichtslosen Autofahrern und teilweise fehlenden Standstreifen so gar nicht lustig. Rad fahren ist in Australien noch recht neu und viele Autofahrer sind auf solche Verkehrshindernisse gar nicht eingestellt. Da kommen einem schon mal des Öfteren heftige Flüche über die Lippen, die ich Euch an dieser Stelle nicht zumuten möchte. Im Gegensatz und zu unserem Glück, gibt es jedoch immer wieder lange Abschnitte, an denen Radwege durch die schönsten Landstriche führen und uns durchatmen lassen. Wir campen meist wild oder in kleinen Parks und genießen unterwegs das Meer und die Sonne.

Wirklich unbeschwert ist das Radreisen in Australiens Osten und manchmal, nur manchmal vermissen wir ein bisschen das Abenteuer der Ungewissheit, doch das bekommen wir sicher noch zur Genüge…

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Seacliff Bridge kurz vor Sydney

Unsere letzte Etappe vor Sydney endet im kleinen Örtchen Bundeena, wo wir am späten Abend unser Zelt im Royal Nationalpark, dem zweitältesten Nationalpark der Welt (gegründet 1879), aufschlagen wollen. Ganz unverhofft werden wir von Debbie angesprochen: es solle wohl eine kalte Nacht werden und es sei doch eine bessere Idee, in ihrem Haus gleich um die Ecke zu übernachten. Welch` großartige Überraschung: Hühnersuppe und Ofengemüse statt Instant-Nudeln und lappriger Toast, heiße Dusche statt kaltem Waschlappen und warmes Bett statt regennassem Zelt. Vielen Dank an Debbie & Brian!

Am 01.  Juni 2017 erreichen wir Sydney und es sind geschlagene 55km durch die halbe (!) Stadt – glücklicherweise überwiegend auf Radwegen – bis uns unserer Warmshower-Gastgeberin Sue im nördlich des Hafen gelegenen Stadtteils Lane Cove einen herzlichen Empfang bereitet. Hier werden wir ein paar Tage verbringen um die Stadt zu erkunden. Ich bin schon gespannt!

 

Gesamtstrecke: 38.666 km

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5 Gedanken zu „Melbourne – Sydney, Australien“

  1. Hey ihr 2,
    zu Bild 1 hab ich gleich eine Frage. Habt ihr auch die gut gefüllte Bar im Hintergrund genutzt? 🙂
    Ich wünsch euch noch schöne Tage und bleibt nicht mehr so lange weg, sonst ist der Mirko irgendwann ganz grau bei der Rückkehr. 😀

    Und noch das Ergebnis eine neuen Studie welches ich euch nicht vorenthalten möchte.

    Männer mit Bart sind attraktiver….

    als Frauen mit Bart.

    1. Natürlich haben wir dir Bar genutzt, besonders Ina hat sich jeden Tag die tollsten Cocktails mischen lassen, bis die Haare zu Berge standen 😉

  2. Liebe Radler,
    immer wieder hin und her gerissen zwischen dem Warten, der Sehnsucht auf eurer Rückkehr und der Faszination der tollen Reiseberichte und Bilder siegt bei uns doch die Erkenntnis:
    Ihr habt alles richtig gemacht!
    Was ihr erleben dürft wird euch für immer bleiben, was sind drei Jahre in einem Menschenleben !

    Also: Danke, danke für die vielen schönen Eindrücke und Beschreibungen über die bisher „beradelten“ Länder und das Leben in ihnen, die ihr uns in euren Reiseberichten vermittelt.

    Hut ab für euer Durchhaltevermögen, die Inkaufnahme von Entbehrungen und das in Griff bekommen von nicht immer einfachen Situationen und euer Blick nach Vorne.

    Bleibt bitte weiter so gut drauf, passt auf euch auf und bleibt vor allem gesund!

    Wir freuen uns jetzt auf ein nächste Lebenszeichen via Skype
    von euch.

    Viele liebe Grüße aus der Heimat

    Die Ellies

    PS: Wenn ihr wieder zu Hause seid möchten wir bei Mirko einen Kurs zum Thema “ Wie mache ich tolle Fotos “ belegen.

  3. Hallo ihr beiden! wiedermal herrliche bilder und tolle eindrücke, auch wenn man gegenüber südamerika fast schon nachvollziehen kann, dass euch das abenteuer im moment ein wenig fehlt, also schnell nochmal die reste des GBR oder doch lieber die tollen neuen kohle-terminals angucken und dann abbiegen ins trockene outback würde ich vorschlagen…da wird’s dann vermutlich wieder abenteuerlich 😉 ansonsten gilt weiterhin: viel glück, passt gut auf euch auf und bis bald, der officer

    ahso: skinny puppy haben beim WGT nach dir gefragt mirko …

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