Arslanbob – Karakol, Kirgistan

So, Ihr Mäuse an den Flimmerkisten zu Hause, sicher wartet Ihr schon alle gespannt auf einen neuen Blogeintrag. Viele neue Eindrücke sind in den letzten Wochen dazu gekommen…

Als Erstes entschieden wir in Arslanbob, nicht die Abkürzung über einen kleinen Bergpass zu nehmen. Das Höhenprofil sah zu sehr nach Schieben aus. Also ging es die asphaltierte Straße nach Jalalabat.

direkt zur Bildergalerie

Gefühlt fuhren wir auf den 70 km aller 5 km durch eine Kuh-, Schaf- oder Pferdeherde. Am nächsten Morgen starten wir zuversichtlich in Richtung Kaldamo-Pass (2.940m). Der ist eigentlich wegen Schnee noch geschlossen, aber man sagte uns, mit dem Fahrrad könne man darüber schieben. Auf dem Weg zum Pass kehren wir zum Mittag im vorletzten Ort noch in einen wunderschönen Garten ein. Es ist so gemütlich, das wir alle 3 noch einen kleinen Mittagsschlaf abhalten.

Im wirklich letzten Ort auf dem Weg zum Gipfel wird uns durch Zeigen gekreuzter Arme immer wieder mitgeteilt, dass der Pass geschlossen ist. Wir lächeln diese Hinweise freundlich weg und radeln weiter.

Nach einer Übernachtung auf 2.000 m müssen wir einen ungeplanten Pausentag einlegen. Ina geht es nicht so gut. Wir checken unsere Vorräte: Es könnte knapp werden bis zur nächsten Einkaufsmöglichkeit. Noch knapper wird unser Benzinvorrat zum Kochen. Also lassen Mirko und ich Ina am Zelt zurück und radeln zurück ins Dorf, um alles aufzufüllen. Leider gibt es aber die Tankstelle nicht mehr und so geht es nochmal 200 Höhenmeter hinunter zur Tankstelle. Wir belohnen uns dafür im Tal mit Mittagessen und einem frisch gezapften Bier- eine Seltenheit in Kirgistan.

Danach heißt es wieder zu Ina und den Zelten hinauf klettern. Seit 5 Wochen das erste Mal ohne Gepäck am Fahrrad fühle ich mich bergauf fast wie Jan Ullrich 1997 bei der Tour de France. Der Kaldamo-Pass war übrigens Bestandteil des Silk Road Mountain Race 2022.

Am nächsten Morgen sitzen wir bereits 8:15 Uhr im Sattel. Der Gegenwind ist eher ein Sturm und wir sind uns nicht sicher, ob wir bei dem Wind über den Pass kommen werden. Spitzkehre um Spitzkehre klettern wir über teilweise loses Geröll nach oben. Als wir beim Blick nach oben auf dem Pass Autos sehen, sind wir erleichtert. Wir fahren durch frei gefräste Schneefelder und endlich oben angekommen stehen wir mit den Autos vor einem großem Schneebrett. Wir schauen ein Stück zu Fuß, ob eine Überquerung möglich ist und nicken dies mit leicht weichen Knien ab, denn einmal abrutschen bedeutet vermutlich sich 300 Meter tiefer wieder zu finden.

Alles geht gut und einige Höhenmeter weiter unten schlagen wir unsere Zelte mit traumhaften Blick auf saftige, sanft wellige Hügel auf. Die Abfahrt am nächsten Morgen ist wunderschön. Nur als die ersten Jurten erscheinen, nerven die Hunde. An jeder Jurte an der wir vorbei rollen, kommt mindestens ein Hund wild bellend auf uns zu gestürzt. Später quält uns dazu noch Waschbrettuntergrund, so dass selbst bergab nur Schritttempo möglich ist. Am Ende erreichen wir Kazarman und beziehen ein Guesthouse, indem auch schon ein französisches Radpärchen eingebucht hat.

Am nächsten Tag heißt es für uns Radpflege. Mirko muss eine gebrochene Speiche tauschen. Als schwierig stellt sich dabei die Reifendemontage heraus, denn Dank „tubeless“ sind Reifen und Felge quasi eins geworden. Mit vereinten Kräften schaffen wir es nach einer kleinen Ewigkeit, den Reifen von der Felge zu lösen. Ich widme mich danach mit Nadel und Faden den gerissenen Nähten einer Fahrradtasche.

Von Kazarman geht es weiter in Richtung Ak–Moinok Pass (2.932m), eine wunderschöne Passstraße über Schotter. Einziges Problem: ein Steinbruch auf etwa der Hälfte der Strecke. So werden wir aller 10 Minuten von einem der LKW in eine Staubwolke gehüllt. Das Wetter hat daher wahrscheinlich etwas Mitleid mit uns und schickt uns mit Erreichen des Campspots ein heftiges Gewitter zum Lösen des Staubes. Gewitter gehören von nun an zum Tagesprogramm für die nächsten 3 Wochen. Man kann fast die Uhr danach stellen: ab 16 Uhr wird es dunkel und bedrohlich. Als wir am nächsten Tag den Pass überqueren und eine nur durch Fotostopps unterbrochene wunderschöne Abfahrt genießen, schlagen wir unsere Zelte am oberen Rand eines Canyon auf. 15 Minuten später sitzen wir im Zelt und halten dieses von innen fest, um nicht abzuheben. Einen Vorteil haben die Gewitter aber, die kostenlose Fahrradwäsche.

Am nächsten Morgen folgen wir 2 Fahrradspuren auf unserer Strecke und treffen an einer Steigung auf das französische Radpärchen aus Kazarman. Am Endes des Tages zelten wir dann zu fünft am Fluss und lassen den Abend bei Lagerfeuer und Radgeschichten ausklingen. Nach weiterem Regen steuern wir auf Naryn zu. Über einen Gipfel fahren wir in die Stadt ein und die Landschaft ist mal wieder beeindruckend. Auf der linken Seite der Stadt hat man den Blick auf einen roten Canyon mit hohen Bergen und dem breiten Fluss Naryn, auf der rechten Seite der Stadt erinnert die Landschaft an die Dolomiten. Wir übernachten im Guesthouse bei Elza und Ilim. Der Abend findet mit Bier und Gesprächen der anwesenden Backpacker aus Jerusalem und Australien ein gemütliches Ende. Frühstück wird am nächsten Morgen in der Jurte gereicht. Diese ist ein Erbstück der Oma aus dem Jahr 1966 und im Garten aufgebaut.

Von Naryn aus starten wir nun zum Son Kul. Dieser liegt auf 3.016 Metern. Auf dem Weg zum See bauen wir kurz nach 16 Uhr mal wieder mit den ersten Regentropfen unsere Zelte auf. Am Morgen danach radeln wir bei Sonne und Gewitterwolken weiter. Wir kommen nur 2 km weit. Sturm, Hagel, Regen und ein Temperatursturz machen Radfahren kurz vor der ersten Passhöhe unmöglich. Eigentlich schon patschnass hocken wir uns zu dritt in eine Vertiefung der Wiese und halten das Tarp über uns. Die Hände frieren dabei fast ab. 30 Minuten später reißt der Himmel wieder auf, zu dem Zeitpunkt ist es uns aber mit den kalten Händen schon nicht mehr möglich, eine Tasche zu öffnen oder einen Reißverschluss zu schließen. Wir klopfen unsere Hände warm und steigen wieder aufs Rad, die nächsten Höhenmeter müssen uns Wärme zuführen! Auf dem ersten kleinem Pass wärmt uns schon wieder die Sonne. Nach einer kleinen Talfahrt stehen wir vorm Papageien-Pass (Teskey Torpuk Pass). 33 Kehren sind auf dem Weg zum Son Kul zu erklimmen. Oben angekommen schaffen wir es nicht mehr ganz bis zum See, es fängt wieder an zu gewittern.

Am nächsten Morgen geht es aber endlich an den See. In einem Jurten Camp kehren wir noch schnell zum Mittag ein. Als wir an den Tisch gebeten werden, auf dem jeder Quadratzentimeter mit Köstlichkeiten bedeckt ist, kommen wir uns vor wie im Paradies.

Wir bleiben zwei Nächte am Son Kul, aber zum richtig Baden ist es uns zu kalt. Dafür kann man hier wunderbar die sternenklare Nacht genießen. Ohne Lichtsmog sind gefühlt tausende Sterne mehr am Himmel zu sehen.

Nach dem Son Kul landen wir in Kotschkor. Zwei Tage später verlassen wir Kotschkor auch schon wieder um an den Issyk-Kul zu radeln. Dieser ist nach dem Titicacasee der zweitgrößte Gebirgssee der Erde und liegt auf 1.607 Metern. Auf dem Weg zum See meiden wir erst mal die Hauptstraße und probieren uns an den gestrichelten Wegen auf der Karte. Was für eine gute Entscheidung dies war, zeigt sich schon bei der Auffahrt zum Semiz-Bel-Pass (2.720 m): wunderbare, menschenleere Naturlandschaften. Auf der Passhöhe angekommen gibt es eine Käsestulle für uns. Der Weg führt weiter über ein saftig grünes Hochtal mit Schafen und Kühen, um sich bei der nächsten kleinen Kuppe als ein unfassbar noch schöneres riesiges Hochtal zu entpuppen. Mittendrin schlagen wir unsere Zelte auf und bleiben heute mal von Gewittern verschont.

Einen Tag später rollen wir von den Bergen zum See. Der Anblick erinnert mich ans Meer, eine riesige Wasserfläche, nur das man in weiter Ferne schneebedeckte Berge erkennt. Über eine 12 km lange Schotterpiste gelangen wir an den Issyk-Kul, biegen aber gleich noch mal einige Meter zum Salzsee Kara Köl ab. Für 150 Som Eintritt schwimmen wir im Salzsee. Schwimmen ist aber eigentlich der falsche Ausdruck, denn der Salzgehalt ist so hoch, das man quasi von alleine schwebt. Als kurz darauf wieder dunkle Wolken aufziehen, fahren wir nun endlich an den Issyk-Kul und finden einen trockenen Zeltplatz unterm Dach einer alten Strandbar. Nach einer weiteren Regennacht haben wir endlich Sonne und starten diesen wie auch die nächsten 3 Tage mit einem morgendlichen Bad.

Auf dem Weg nach Karakol nehmen wir noch ein paar touristische Highlights mit: Als erstes biegen wir in den Farytale Canyon ab. Eine sehr farbenreiche und von den Naturgewalten beeindruckend geformte Bergformation. Später biegen wir vom See nochmals in die Berge ab, um eine sehr überfüllte Touristenattraktion zu sehen. Eine Bergformation, die „7 Bulls“ genannt wird sowie ein Berg, den man „Broken Heart“ nennt, weil dieser tatsächlich die Form eines gespaltenen Herzens hat. Wir campen direkt am Fuße des Herzens auf einer kleinen grünen Wiese. Am nächsten Morgen begeben wir uns auf eine kleine 13 km Wanderung um die Berge und sind hier komplett allein. Scheinbar werden alle anderen Touristen mit dem Bus zum Panoramablick gefahren, machen 3 Fotos und werden wieder zurück gefahren. Nach der Wanderung rollen wir noch 30 km nach Karakol. Das Wochenende werden wir hier verbringen, es gibt ja was Kleines zu feiern. 🙂

Danach rückt das Reiseende für Kirgistan schon in greifbare Nähe und Kasachstan wartet auf uns.

Statistiken:

Gesamtstrecke: 2.777km

Reifenpannen gesamt: 5

maximale Tage ohne Dusche: 6

Nächte im Zelt gesamt: 29

Gesamthöhenmeter: 27.659

5 Gedanken zu „Arslanbob – Karakol, Kirgistan“

  1. Hallo ihr drei Radler,vielen Dank für den neuesten Bericht aus der Ferne. Es ist wieder spannend und interessant zu lesen, was ihr alles gesehen und erlebt habt. Einfach toll! Für dich Rene geht die Tour nun langsam dem Ende entgegen. Wir wünschen euch noch eine gute,unfallfreie Fahrt zu dritt. Viele interessante Erlebnisse und Begegnungen. Rene wünschen wir eine gute Heimreise und vielleicht sehen wir uns ja mal in L.-O. Machts gut und bleibt gesund. Liebe grüße von Balazs und Kristina.

  2. huhu aus der umkehr! wirklich schöner kurzweiliger bericht und bei der stelle mit den kalten händen musste ich direkt an unsere DD ausfahrt vor ein paar jahren denken rené, da war es auch kalt und du hast mit handschuhe geliehen … leider konnte ich mich nicht revanchieren, ich war hier arbeiten 😉 ansonsten meldest du dich wegen rückweg? wann trennen sich denn nun eure wege und wie gehts dann für euch (mirko&ina) weiter? so oder so alles gute weiterhin und immer genug luft im reifen und warme hände!

  3. Hallo ihr Drei,

    kurze Rückmeldung aus der Siedlung, hier ist es trocken und warm 28°C, auf der Straße wurde geblitzt, in Pleißa ist immernoch die Baustelle, der neue Grieche in Pleißa hat Fassade gestrichen, im Garten sind Nashornkäfer geschlüpft, am Montag machen Axel und ich auf Tour@Rene, kannst dich noch anschließen, falls du schon da bist.

    VG Nico

    1. Hallo ihr 3 Radler, der Bericht war wieder Spitze und manchmal bin ich froh ihn erst danach zu lesen. Die Zeit vergeht so schnell und bald muss Rene wieder nach Hause. Aber hier ist es wenigstens warm und es gibt keine kalten Hände. Geniesst die letzten gemeinsamen km und Mirko und Ina noch schöne Erlebnisse. Bis bald.

  4. Hallo ihr drei Radler,
    schön von euch zu hören und die tollen Bilder anzuschauen, die Landschaft ist eine Augenweite.
    Den Wechsel eurer Gefühle kann man nur erahnen.
    Radelt bitte gesund und munter weiter.
    Habt nur schöne Begegnungen, Erlebnisse und immer
    funktioniertente Bike’s
    Rene wünschen wir einen guten Rückflug und – fahrt in die Heimat.

    Liebe Grüße von Peter, Burgl und eurem Nicklas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert