Yungay – Cusco, Peru

Von überraschenden Wetterumschwüngen, historischen Pfaden und neuen ErFAHRungen

Gut drei Wochen sind seit unserem letzten Bericht vergangen… ausreichend Zeit für interessante Begegnungen, unerwartete Ereignisse, körperliche Ertüchtigung, motorisierte Mobilität und hochgelegene Juwele. Doch lest selbst!

„Pachamaman Pachakaman wawapautanwa“(Quechua) – Wir sind alle Söhne und Töchter von Mutter Erde und Vater Kosmos.

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Mit einer Kurzetappe nach Huaraz starten wir nach zwei Tagen Regeneration in Yungay gut erholt gen Süden, wo wir am Nachmittag noch einige Erledigungen besorgen können. Im Hostal „El Tambo“ finden wir uns inmitten eines bunt gemischten Pots aus Reisenden aller Kontinente und treffen Radler Miguel wieder.

Und dann heißt es mal wieder ernsthaft Rad fahren. Eine erneute Durchquerung des Parque Nacional Huascarán steht an. Doch bevor wir die Zufahrt Richtung Pastoruri-Pass erreichen, zwingt uns ein heftiges Nachmittags-Gewitter Zuflucht in einem Hostal in Catac zu suchen – der Blitz schlägt direkt in die Stromleitung ein neben der Tankstelle, an der wir Schutz gesucht hatten. Damit ist es für den heutigen Tag vorbei mit dem ernsthaften Radfahren. Am nächsten Morgen sieht die Welt schon wieder freundlicher aus und wir beginnen bei wunderbarem Sonnenschein mit dem Aufstieg über unbefestigte Straße. Alles in allem ein recht zäher Tag: Wir quälen uns beide über die sehr ausgefahrene Schotterstraße hinauf. Glücklicherweise entschädigt wieder einmal Mutter Erde (und auch Vater Kosmos) für die Anstrengung – wir radeln vorbei an Lagunen, „Wäldern“ der Puya Raymondi (Riesenbromelie, die in Höhenlagen zwischen 3.500 und 4.500m wächst), Felsmalereien, alten Mauern und Hütten, Schafen, Pferden und Kühen. Etwa 8km unterhalb des Passes und auf ca. 4.500m Höhe schlagen wir unser Zelt direkt neben der fast ausschließlich von einer Handvoll Tourismus-Kleinbussen befahrenen Piste auf. Keine Minute zu spät, denn es beginnt ein heftiger Schneesturm, der Räder und Zelt in Windeseile weiß einhüllt. Währenddessen versuchen wir, uns im Schlafsack warm zuhalten. Doch am Ende helfen nur heiße Instant-Nudeln, die Mirko mit klammen Fingern am Kocher zubereitet. Mit gefrorenem Zelt und erneut strahlend blauem Himmel starten wir in den neuen Tag. Doch Sonnenschein ist uns nur vorübergehend vergönnt, nach und nach bewölkt sich der Himmel. Bei diesen Aussichten entfällt der für heute vorgesehene Rundwanderweg zum Pastoruri-Gletscher, was sich als weise Entscheidung erweisen soll.

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Pastoruri-Gletscher

Im Laufe des Tages haben wir insgesamt drei statt nur einem von uns erwarteten 4.800m hoch gelegenen Pass zu überqueren und drei Mal Schneefall zu überstehen. Nach fünf Stunden erreichen wir hungrig (unterwegs gab es lediglich ein paar Kekse) und frierend Asphaltstraße und steuern das nächste Restaurant an, wo wir bei Suppe, Reis mit Estofado und heißem Tee Wärme und Energie tanken.

Auf dem Weg von Huallanca über La Union nach Cruzpampa treffen wir auf Steve aus Logan (Utah, USA) – und plötzlich sind wir zu dritt. Steve ist vor sechs Monaten in seiner Heimatstadt gestartet und will bis zu seinem 60. Geburtstag im Jahr 2019 die Welt umradelt haben. Auch heute sehen wir uns wieder mit wechselhaftem Wetter konfrontiert – am Ende des Tages kann niemand mehr sagen, wie viele Male wir uns an-, aus-, umgezogen haben. In einer Art Steinbruch finden wir am Abend ein Plätzchen zu Campen, was in Anbetracht des steilen Geländes eine wahre Herausforderung darstellt.

Die Menschen in diesem Teil Perus scheinen außerordentlich aufgeschlossen: Beim Halt am Straßenrand werden wir von den Einheimischen nicht nur verbal, sondern mit Handschlag gegrüßt. Eine ältere Frau kommt uns mit ihrer Schafherde entgegen und schüttelt uns im Vorbeifahren freudig die Hände. Bei einer kurzen Pause im Örtchen Chavinillo begibt sich folgende Episode: Bereits beim Einkauf im Tienda wurden wir von einer jungen Frau mit Baby im Tragetuch und ihrer etwa 4jährigen Tochter beobachtet. Die Kleine schlunzt hin und wieder um die Ecke, während wir vor dem Lädchen sitzen und Kekse mampfen. Mirko bietet ihr einen Keks an und sie greift beherzt zu. Als sie und ihre Mutter sich wenige Minuten später verabschieden, reist sich die Kleine von der Hand ihrer Mutter los, kehrt um und umarmt uns beide der Reihe nach, einfach so! Wer sprachlos auf der Bank sitzt und sich mit großen Augen anschaut, sind wir beide.

Weiter klettern wir hinauf nach Ayapitej und vorbei am „Corona del Inca“ sausen wir hinunter ins nächste Tal. Ab Chasqui wird die bisher gut asphaltierte Straße zum Albtraum! Unendlich viele Schlaglöcher wechseln sich ab mit staubigem Dreck und zerfahrenem Asphalt. Kurz vor Huánuco lassen wir unsere geschundenen Knochen direkt am Ufer des Rio Higueras nieder und genießen den lauen, mücken- und fliegenfreien, sternenklaren, lauschigen Abend bei Reis-Linsen-Käse-Topf.

Ab Huánuco führt die Straße am Rio Huanag entlang flussaufwärts bis ganz hinauf nach Cerro de Pasco. An dieser Stelle sei dem peruanischen Straßenbau ein Lob ausgesprochen: Die Steigungen sind so angelegt, dass der Puls in einem moderaten Bereich bleiben kann. Den Anstieg teilen wir uns schön ein – zwei Tage nehmen wir uns für die 120km hinauf auf 4.380m Zeit, begleitet von schweißtreibendem Sonnenschein und heftigem Regen. Dabei durchqueren wir mehrere Ortschaften, in denen Kohleminen betrieben werden. Am Abend in einem Wildcamp oberhalb des Ortes Chaupimarca – Steves und unser Zelt stehen in trauter Zweisamkeit nebeneinander – hören wir einmal mehr dem Schneeregen zu, wie er auf das Zelt rieselt.

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Durch das Huanag-Tal

Auf dem Weg nach Junín begegnen uns Dominique & Michel aus Frankreich, die seit fünf Jahren mit dem Rad durch die Welt reisen, unterbrochen von jährlichen, zweimonatigen Heimataufenthalten zur Weihnachtszeit. Nach ausgiebigem Erfahrungsaustausch am Straßenstand pedalieren wir in unterschiedliche Richtungen weiter. Wir drei halten uns gen Süden – am östlichen Ufer des Lago de Junín (ca. 30km lang und 14km breit) führt unsere Strecke durch karge, wellige Landschaft, eine Art kleines Altiplano. Die grasenden Schaf-und Lamaherden sind oftmals erst im letzten Moment vor dem Hintergrund des erdbraunen Graslandes zu erkennen. Am Westufer des Sees tobt ein kräftiges Gewitter, so dass wir bei der Ankunft in Junín für einen Hostal-Aufenthalt stimmen, statt in Unheil verheißende, dunkle Wolken zu fahren. Den Nachmittag verbringen wir mit einem Bummel durch die Straßen und über den Markt der Kleinstadt und landen am Abend in der Polleria KIKIRIKI, wo wir nach der reichhaltigen Vorsuppe eine Viertel- Ina bzw. halbes (Mirko& Steve) Brathähnchen mit Pommes und Salat verdrücken. Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von Steve, der mit seinem selbstgebauten Rennrad doch etwas schneller ist als wir und gern etwas Zeit aufholen möchte. Wir hoffen, wir sehen uns wieder…

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Am Lago de Junín

Südlich der Stadt liegt ein geschichtsträchtiger Ort: Hier begann 1842 mit der Schlacht von Junín der erfolgreiche Feldzug Simón Bolivars gegen die spanischen Kolonialherren, der mit der Unabhängigkeit Perus im Dezember des gleichen Jahres endete.

Durch das teils enge, teils weite und fruchtbare Mantaro-Tal kurbeln wir für zwei Tage nach Huancayo. Hier empfängt uns Warmshower-Gastgeber Abel. Ein Zimmer mit Bett, Tisch, Stühlen, Sofa und einer Musikanlage in einer Art Wohnkommune steht für uns bereit. Diese Alltagsgegenstände sind für uns regelrechter Luxus, den wir für die kommenden zwei Nächte genießen dürfen. Architekt Abel war außerdem so freundlich, mit seiner Büroadresse als Empfänger für ein Päckchen mit Ersatzteilen aus Dresden zur Verfügung zu stehen – nach unserem Kenntnisstand sind Bremsbeläge für meine Magura Hydraulikbremsen in ganz Südamerika nicht aufzutreiben, so dass wir diese zwangsläufig aus Übersee bestellen mussten, wenn wir auf einen Komplettumbau verzichten wollten. Der Sendestatus für das Paket steht seit dem 23. September auf „Zustellung an Postfiliale in Huancayo“, doch bisher ist keine Auslieferung an Abels Büro erfolgt. Die Herausgabe des Päckchens in der Serpost-Filiale gestaltet sich auch entsprechend bürokratisch. So ist unser Jubel groß, als wir das Päckchen tatsächlich in den Händen halten – dafür sind Abels persönliche Anwesenheit, eine Passkopie und seine Unterschrift in dreifacher Ausführung notwendig.

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Huancayo

Die Zeit in Huancayo nutzen wir außerdem für die Pflege der Räder, einen Bummel durch diverse Ecken der Stadt, die Recherche für das große Vorhaben der nächsten Tage (siehe unten) und Mirko bekommt eine neue Regenjacke, da sein wunderschönes gelbes Plastikmodell aus den USA allmählich den Geist aufgibt.

In La Oroya erlebe ich eine herrlich erfrischende Begegnung: Während Mirko im Mercado die Zutaten für das Abendessen besorgt, kommt ein etwa 7 Jahre alter Junge auf mich zugestürmt und fragt aufgeregt, was mein Rad kosten würde, er wolle es kaufen. Ich erkläre ihm, dass ich ihm nur sagen könne, was der Preis in Euro sei. Er beharrt auf seiner Frage, was denn nun das Rad koste, er wolle es kaufen. Daraufhin mache ich ihm deutlich, dass ich das Rad nicht verkaufen werde. Seine Gegenfrage: „Wer verkauft es denn dann?“. Meine Antwort: „Niemand!“ nimmt er voller Unglauben im Blick zur Kenntnis. Er und seine kleine Freundin sind dann glücklicherweise mit einem geschenkten Aufkleber zufrieden und ich darf mein Fahrrad behalten.

 

Völlig neue ErFAHRungen

Wie aus den vorangegangenen Schilderungen hervorgeht, hatten wir in den letzten Wochen mehrfach bitterkalt zu spüren bekommen, dass wir der Saison etwas hinterher hinken. Wir, speziell Mirko, werfen in Huancayo also unser Fernradreise-Prinzip, jeden möglichen Kilometer zu Land mit dem Rad zurück zu legen, ÜBER und die Räder sowie Gepäck AN Bord gleich mehrerer Busse. Nun könnte man*frau meinen: „Schmu“!!! Doch ich zitiere meinen Mitreisenden: „Im Vergleich zur zurückgelegten Gesamtkilometerzahl am Ende der Reise sind diese 630km Busfahrt vernachlässigbar!“ (Zitatende). Von Huancayo reisen wir also via Nachtbus mit EXPRESO MOLINA nach Ayacucho. Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, dass es draußen recht eng und kurvenreich zugeht, als der Fahrer den Bus an einem entgegen kommenden LKW vorbei zirkelt, und ich besser meine Augen wieder schließe, um mich einem vom vielen Rütteln und Schütteln recht unruhigen Schlaf hinzugeben. Morgens gegen 3:30 Uhr erreichen wir die Busstation von EXPRESO MOLINA in Ayacucho. Für die Weiterreise brauchen wir jedoch das Terminal Terrestre, 2,5km bergauf gelegen. Also schieben wir die Räder durch die noch dunkle, langsam zum Leben erwachende Stadt. Am Terminal Terrestre werden wir bereits morgens um fünf auch gleich mit Angeboten überhäuft.Wir entscheiden uns für einen ECO TUR-Kleinbus, Räder und Gepäck reisen auf dem Dach mit. Halb sieben sind wir erneut unterwegs und düsen nach Andahuaylas, nur unterbrochen von einer Frühstücks- und Toilettenpause in einem kleinen Dorf, dessen Namen wir nicht einmal kennen, da wir lediglich das Restaurant von innen zu sehen bekommen, bevor der Fahrer auch schon zum Aufbruch mahnt. In Andahuaylas haben wir eine Stunde Aufenthalt, während der alles von Kleinbus 1 auf Kleinbus 2 verladen wird und wir uns einen erfrischenden Obstsnack vom Straßenstand einverleiben. Dann geht es ebenso rasant wie vorher nach Abancay, wo wir am Nachmittag halb vier ankommen. Nun steht nur noch auf unserer Tagesplanung, uns in einer Unterkunft von den strapaziösen letzen 24h zu erholen und auf die kommenden Tage vorzubereiten. Wir haben vor, die Räder in Abancay zu parken und nur mit dem nötigsten Gepäck via Bus nach San Pedro de Cachora zu reisen, um dort für vier oder fünf Tage wandern zu gehen.

Doch spontan wie wir sind, ändern wir am nächsten Morgen noch vor dem Frühstück unsere Pläne und reisen doch mit den Rädern weiter. Wir haben dafür drei gute Gründe: 1. Die Strecke von Abancay nach Cusco soll sehr sehenswert sein. 2. Fast 24h Busreise waren für´s Erste eindeutig mehr als genug. 3. Den letzten großen Anstieg in den peruanischen Anden vor dem Altiplano betrachten wir für uns als ein MUSS. Außerdem sind wir momentan wieder gut im Saison-Zeitrahmen, schließlich sind wir ja zum Radreisen hier. Mit dieser Entscheidung geht es uns sehr gut, auch wenn ein langer und anstrengender Radtag vor uns liegt – das Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit ist unbezahlbar!

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Aufstieg von Abancay

Als wir am Nachmittag in San Pedro de Cachora ankommen, landen wir auf der Suche nach ausleihbaren Rucksäcken zufällig vor dem Hotel „Casa de Salcantay“. Der Besitzer Jan Willem Van Delft (Niederlande) erweist sich als deutschsprechender, eingefleischter Bergsteiger, der selbstverständlich zwei Rucksäcke besitzt und uns diese gern gegen eine geringe Leihgebühr zur Verfügung stellt. Und selbstverständlich dürfen wir auf dem kleinen Stück Rasen neben dem Haus für heute Nacht zelten (gratis) und auch unsere Räder für die Wandertage im Schuppen unterstellen.Und wenn wir die Küche zum Kochen nutzen möchten… Das nenne ich eine glückliche Fügung. Jans Tochter Anett (7 Jahre) und ihre Freundin Flor (11 Jahre) backen gerade Bananen-Eierkuchen, von denen wir eine Kostprobe serviert bekommen. Doch damit nicht genug: Während wir Abendessen kochen, dürfen wir mehrere Puppentheater-Darbietungen der beiden jungen Damen genießen. Köstlich!

 

Auf historischen Pfaden: Choquequirao-Wanderung

14. Oktober 2016: Morgens um drei beginnt es zu regnen und als um fünf unser Wecker klingelt, regnet es immer noch. Halb sechs beschließen wir trotzdem aufzustehen… und tun gut daran. Denn als wir nach dem Frühstück und vielem Hin-und Herrangieren in den Rucksäcken Punkt acht Uhr startklar sind, klart auch der Himmel auf und wir wandern durch einen trockenen, teils sonnigen Tag. Nach vier Stunden (inklusive Obst-Brötchen-Cracker-Snackpause am Wegesrand) erreichen wir den Aussichtspunkt Capuliyoq an km 11,7. Von hier können wir unsere weitere Route für die nächsten drei Tage einsehen: endloses Zick-Zack bergab, endloses Zick-Zack bergauf. 32km hin, 32km zurück, knapp 6.000Höhenmeter sind zu überwinden. Am Mirador begegnet uns auch die erste Muli-Karawane von vielen. Die Tiere sind wahlweise beladen mit Waren für die ansässige Bevölkerung, Lieferungen für die kleinen Lädchen und Restaurants am Weg, Ausstattung für die Tourist*innengruppen, die mit leichtem Tagesrucksack unterwegs sind bis hin zum*zur bewegungsscheuen Tourist*in selbst. Bis km 21, Playa Rosalina, folgen wir dem Weg hinunter zum Rio Apurimac. Für ca. 5km Abstieg benötigen wir eineinhalb Stunden, so steinig und steil ist die Strecke, unsere Beine schreien mitunter von der ungewohnten Anstrengung. Und auch unsere Hüft-und Schulterknochen leiden arg unter der ungewohnten Belastung eines 12-15kg schweren Rucksacks. Doch die Ausblicke sind gigantisch, die Landschaft beeindruckend und die Pflanzenwelt durch die Höhenunterschiede sehr vielfältig. Für die Überquerung des Flusses steht inzwischen wieder eine Hängebrücke zur Verfügung. Da die alte Brücke vor einigen Jahren von einem Hochwasser weg gespült wurde, gab es bis 2015 als Zwischenlösung einen an einem Stahlseil befestigten Metallkasten, in dem man*frau sich über den Fluss zog. Schweren Herzens machen wir uns 16:45 Uhr an den Aufstieg zu unserem heutigen Tagesziel, Camp Santa Rosa Baja an km 24,5, das wir schweißtriefend und ziemlich knülle mit Einbruch der Dunkelheit erreichen. Unsere Kraft reicht noch für Zeltaufbau, Kochen und Abendessen. Froh, den Tag so gut gemeistert zu haben, liegen wir um acht im Zelt. Wahrscheinlich hören unsere Zeltnachbar*innen uns schon fünf nach acht schnarchen…

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Choquequirao-Wanderung, Tag 1

15. Oktober 2016: Bereits 6:30 Uhr verlassen wir das Camp und wandern für weitere 5km steil bergauf bis zu dem kleinen Weiler Marampata. Unsere Geschwindigkeit liegt bei 2km pro Stunde und wir schwitzen uns die Seele aus dem Leib. Glücklicherweise liegt diese Talseite am Morgen im Bergschatten, so dass wir weitestgehend durch kühle Luft laufen.Von Marampata aus sind es weitere, vergleichsweise flache 3km bis zum Camp Choquequirao, an dem wir gegen 11:00 Uhr ankommen. Zur Stärkung gibt es ein feines Reis-Parmesan-Mittagessen, bevor wir zur Besichtigung der Inka-Ruinen aufbrechen, begleitet von einer im Camp lebenden jungen Hündin.

Choquequirao bedeutet soviel wie „Wiege des Goldes“ und wurde im 15. Jahrhundert erbaut. Zum Zeitpunkt ihrer (Wieder-)Entdeckung gibt es unterschiedliche Angaben, Einheimische geben die Zeit um 1880 an. Mitunter werden die Ruinen auch als „Schwester von Machu Picchu“ bezeichnet. Choquequirao soll dreimal so groß sein wie Machu Picchu, bisher sind jedoch nur Teile der Ruinen freigelegt. Der andere große Unterschied zwischen beiden Anlagen ist, dass nach Machu Picchu täglich 2.500 Tourist*innen reisen, Choquequirao hingegen nur von etwa 500 Menschen im Monat besucht wird. Ein Grund hierfür ist sicherlich die strapaziöse „Anreise“, die eben nur zu Fuß bzw.auf dem Rücken eines Mulis möglich ist (wobei es seit Jahren Pläne für den Bau einer Seilbahn über das Apurimac-Tal gibt, eines der tiefsten Flusstäler der Welt).

Für uns beide bedeutet diese geringe Besucher*innenzahl, die Ruinen den gesamten Nachmittag ganz für uns zu haben. Wir wandern vom Camp über die Siedlung von Piquiwasi zum Sector Sacerdotal (Finanzbereich?), über den vermutlich für Feierlichkeiten genutzten Berg Usno zum Plaza Principal, zu den Werkstätten, auf der anderen Seite des Berges über steile Stufen hinunter zu den Lama-Terrassen, wieder zurück zum Plaza Principal, hinauf zur Oberstadt Hanan und abschließend zu den östlichen Terrassen. Die Ausblicke zu beiden Seiten sind atemberaubend weit und werden nur von einem kurzen Nieselregen getrübt. Insgesamt sind die Einsamkeit und die Stille in dieser historischen Stätte, gepaart mit der Großartigkeit der Landschaft jeden Schweißtropfen wert. Glücklich und zufrieden kehren wir ins Camp zurück und genießen den hereinbrechenden Abend bei Knoblauch-Parmesan-Spaghetti.

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Choquequirao-Ruinen

16. Oktober 2016: Heute brauchen wir etwas länger um aus den Startlöchern zu kommen, sind erst halb acht zur Abreise bereit. Bis zum Mittag haben wir es bereits zurück zum Camp Santa Rosa Baja geschafft. Senora Eugenia kocht gerade Mittagessen, eine Art Eintopf aus Kartoffeln, Nudeln, Möhre, Tomate, Zwiebel, Knoblauch und verquirltem Ei, dazu gibt es ein Spiegelei. Die Wartezeit überbrücken wir mit einem Nickerchen, um für den weiteren knochenschindenden Abstieg bereit zu sein. Zum Glück ist ein leichter Wind aufgekommen, der uns in der Mittagshitze etwas abkühlt. Etwa 16:00 Uhr erreichen wir nach erneuter Überquerung des Rio Apurimac das Camp Chiquisca an km 19 und treffen hier Engländer Kieth, den wir bereits gestern im Camp Choquequirao kennengelernt hatten. Kieth ist seit sechs Jahren auf Reisen, unterbrochen von Tätigkeiten als Lehrer für Englisch in Indien, Vietnam und Ecuador. Eine erfrischend kalte Dusche später sitzen wir bei toller Aussicht neben dem Zelt und genießen zum Abendessen noch einmal Knoblauch-Parmesan-Nudeln – heute etwas dezenter und daher noch wohlschmeckender. Hier oben herrscht ein wunderbar mildes Klima und der Wind, der aus dem Tal herauf weht, fühlt sich sehr angenehm an.

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Choquequirao-Wanderung, Tag 4

17. Oktober 2016: Der krähende Hahn weckt mich bereits 5:20 Uhr und ich blicke in einen leicht bewölkten Morgen. Über dem Tal steht noch der fast volle Mond. Gegen 8:00 Uhr wandern bzw. steigen wir gemeinsam mit Kieth zurück nach Cachora. Über 46 der insgesamt 65 Kehrtwenden auf dieser Seite des Tales hangeln wir uns wieder hinauf zum Aussichtspunkt Capuliyoq. Beim Aufstieg entdecke ich am Himmel einen einsamen Kondor.Wir alle drei sind so fasziniert, dass wirklich keine*r von uns daran denkt, ein Foto zu schießen. Und dann ist er auch schon um die nächste Bergflanke geschwebt. Die letzen 11km ziehen sich eine Ewigkeit hin und sind nur mit einer ausgiebigen Pause zu meistern, doch 15:00 Uhr haben wir es geschafft und sind zurück im Casa de Salcantay. Nachdem die Grundordnung in unseren Radtaschen wieder hergestellt ist, sitzen wir am Abend frisch geduscht bei einem köstlichen, von Mirko zubereiteten Belohnungsessen: Spaghetti in Knoblauch-Erbsen-Würstchen-Sahne-Soße.

Unser Fazit: Die Tour ist, wie wir im Vorfeld gelesen hatten, tatsächlich extrem anstrengend, und eben auch extrem lohnenswert. Schon allein das Wissen, diese Herausforderung zu Fuß zu meistern, lässt die Sehenswürdigkeit noch größer erscheinen. Und die vor Anstrengung schnaufenden und schweißnassen Mulis geben dem Ganzen noch den Hauch früherer Zeiten. Archäologie-Fans und ganz Neugierige können sicher noch ausgiebiger Zeit in den Ruinen verbringen (1-2 Tage) – wir haben zum Beispiel die tiefer im Tal liegenden Terrassen, an denen nach wie vor Ausgrabungen stattfinden, weggelassen. Einziger Minuspunkt: Innerhalb der Ruinen stehen kaum Informationen zu den einzelnen Teilen der Anlage zur Verfügung. Großes Plus: Alle Bereiche unserer Beinmuskulatur sind nach der Choquequirao-Wanderung ausreichend gekräftigt.

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Choquequirao-Wanderung erfolgreich absolviert

Drei Tage sind wir anschließend per Drahtesel durch sehenswerte Landschaft nach Cusco unterwegs, überqueren dabei noch einmal den Rio Apurímac tief unten im Tal und nach weiteren vielen Höhenmetern auf unendlichen Serpentinen liegt die Touristenmetropole Cusco vor uns. Hier werden wir uns für die kommenden zwei Tage ausgiebig erholen, Euch auf den aktuellen Stand bringen und sicher auch etwas Sightseeing betreiben. Danach heißt unser nächstes Ziel Titicacasee. Wir werden berichten…

Gesamtkilometer: 28.377km

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7 Gedanken zu „Yungay – Cusco, Peru“

  1. Hello Mirko and Ina!

    I have lunch today in the same place as you sleep yesterday! The woman told me that a couple were before and I showed our photo and it was you!
    Right now I am in Chincheros sleeping in a garage. Tomorrow I try to do all the way along towards Andahuaylas where there are couchsurfing that may host me. Hope to see you there or in the middle of the pass, or towards Cusco.
    Sorry for writing here but I dont find a contact mail in the german words :S and lose your contact, hehe.
    Best wishes,

    Miguel

  2. Hallo Kekse verschenkende Reisende,
    für Kekse würdet ihr auch von mir eine dicke Umarmung bekommen und wenn ich euren Reiseberichte so lese würde auch ich nach einer großen Keksmahlzeit mit euch reisen. Vorausgesetzt es sind Kekse im Gep(b)äck.

  3. Atemberaubend, spektakulär, einzigartig.
    Liebe “ an die körperlichen Grenzen Gehende“;0),
    die Bilder Eurer Tour sind wieder super toll.
    Und der Bericht läßt uns ganz leise erahnen, welche Strapazen Ihr auf Euch nehmt, nur um uns die Schönheit der Welt näher zu bringen.
    Ich kann gut glauben, daß die einzigartigen Ausblicke Euch stets für jede Mühe entlohnen. An der Zufriedenheit in Euren Gesichtern ist dies zu sehen.
    Teilweise ist es doch aber auch echt mühsam. Ich ziehe vor Euch meinen Hut, das Ganze so konsequent durchzuziehen.
    Nun gut, der kleine Schmu mit dem Bus sei da gewährt.;0).
    Weiterhin viel Spaß bei hoffentlich bester Gesundheit
    Seid lieb gegrüßt von
    Kathrin

  4. Hallo Ihr lieben Radler. Auf diesen Wege nochmals ein grosses Dankeschön. Auch wenn wir uns wiederholen ,aber die Bilder und Berichte sind immer wieder toll und spannend. In den vergangenen Monaten oder besser gesagt1,5 Jahren haben wir mehr über die Welt in der wir leben gelernt, als in unserer gesamten Schulzeit. Ausserdem ist es immer wieder faszinierend via Skype in ferne Länder zu schauen. Es ist auch beeindruckend wie viele verschiedene Menschen unterwegs sind. Wir wünschen Euch weiterhin eine gute Radlerzeit, bleibt gesund und passt gut auf Euch auf. Machts gut. Wir umarmen Euch .Balazs und Kristina. Wir sollen Euch auch ganz lieb grüssen von Karin und Frank, sowie Bärbel.

  5. Hallo liebe Ina und lieber Mirko,
    wir hoffen, dass ihr wieder G E S U N D und munter weiter radeln konntet.
    Wir wollen doch bald wieder so atemberaubende Bilder
    von Mutter Erde sehen und Erlebnisberichte lesen.
    Wir können uns der Meinung von Kristina und Balazs zu 100% anschließen.
    In der Heimat ist das Wetter zur Zeit unangenehm nass und man ist auf dem Sofa wirklich gut aufgehoben. Allerdings gibt es Pilze noch und nöcher. Leider haben wir uns noch keine Zeit genommen für einen Waldgang.
    Vielleicht wird es noch!
    Der Garten muss auch noch winterfest gemacht werden.
    Übrigens ist der Lärchenstamm jetzt nur noch 1,50 m hoch,
    interessiert dich bestimmt ,Mirko.
    Für das nächste Skypen – denkt bitte daran, dass die Uhr zurückgestellt wird. Wir freuen uns auf das lange Wochenende, obwohl Einiges vorzubrereiten ist ……
    Noch etwas Wichtiges: Wo bleibt das Oktober – Rätsel ?
    Der Oktober ist aber am 31. um!
    Können nur wir es nicht finden oder ist das gewollt?
    Vielleicht können uns die Mitrater den Pfad benennen .

    Viele liebe Grüße von den Eltern aus Silberstraße

    1. Liebe Eltern,

      mit dem Rätsel ist es wie beim Skypen: Das Wichtigste ist Geduld. 😉
      Die Ruhetage in Cusco waren für die Genesung sehr hilfreich, so dass wir inzwischen den Titicacasee genießen können, auch ohne langes Wochenende. 🙂 Geregnet hat es hier letzte Nacht auch und die Hügel um den See tragen Schneehauben.
      Für den Waldbesuch wünschen wir Euch sonniges Wetter und reiche Pilzernte!
      Bis demnächst
      Mirko & Ina

  6. Liebe Radler,

    ich bin, glaube ich, die 1000.e die Euch sagt was Ihr für sagenhafte Berichte schreibt ! Dieser war unendlich genial und gigantisch. Ich persönlich wäre ja z.B. nach dem 2.Pass umgekehrt aber dann wäre meine Berichterstattung nur kurz und knapp, das ist natürlich nicht euer erklärtes Ziel und deshalb seit Ihr auf Reisen und nicht ich. Aus diesem Grund hänge ich an diesen Beiträgen und Bildern die mich schon fast anhängig gemacht haben und warte immer sehnsüchtig auf den nächsten !
    Ich bin erstaunt wie gut Eure Räder mithalten und nur kleine Verschleißerscheinungen auftreten und ihr trotz wiederer Umstände immer wieder an Ersatzteile heran kommt. Da ist es schön, auch in der letzten Ecke der Welt, einen FREUND zu haben ! Ihr pflegt Euch weiterhin gut und schreibt weiterhin tolle Reiseberichte, schießt gute Fotos und schon bekommt Ihr weiterhin Lobeshymnen von UNS !
    Bleibt gesund !
    In diesem Sinne grüßt Euch ganz lieb
    Catl

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