Wir sagen „Good Bye America“
Eine Woche Urlaub mit Familienanschluss im sonnigen Watsonville mit Blick auf Obstplantagen sind für uns eine herrliche Zeit zum Ausspannen, zur Generalüberholung der Räder und für eine andere, schöne Art von Alltag.
Unsere „Gasteltern“ Marion & Bill nebst Sohn Hans und Hund Odin bieten uns Familienanschluss, ein eigenes Zimmer mit großem Bett, einen tollen Garten mit Pool, Möglichkeiten zur körperlichen Ausarbeitung (wir fällen Bäume, schneiden Hecken, führen Odin aus) und das Gefühl, mal kurz zu Hause zu sein. Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal an Euch, es war ein Vergnügen, für ein paar Tage zu Euch zu gehören!
An einem unserer Urlaubstage packen wir die Räder in den Familien-Sprinter und machen einen Ausflug in den nördlich gelegenen Big Basin Redwoods State Park und genießen dort das luftige Bergauf und Bergab durch den riesigen Wald mal ganz ohne Gepäck.
Außerdem besuchen wir gemeinsam mit Bill ein Footballspiel der benachbarten Highschool in Aptos. Und nachdem ich das Spiel durch das geduldige und begeisterte Erläutern der Spielregeln durch Bill zumindest grundsätzlich verstanden habe, ist es total spannend dem Spiel zu folgen. Jetzt sieht es nicht mehr aus wie „22 Menschen stürzen sich auf einen eiförmigen Ball“.
Der Abschied von Watsonville fällt uns bei all der Herzlichkeit (und Bills köstlichen selbstgemachten Frühstücksburritos) entsprechend schwer – es ist fast wie noch einmal von zu Hause starten. Doch wir sehen uns ja wieder… irgendwann.
Die Landschaft entlang der Pazifikküste lässt die Traurigkeit schnell verfliegen und Vorfreude auf die noch verbleibenden Tage in den USA aufkommen. Buchten mit Sandstrand und wilde Steilküste wechseln sich ab mit Obst- und Gemüsefeldern (Erdbeeren, Salat, Rosenkohl u.v.m.). Insbesondere die Monterey-Halbinsel mit ihrem 17 Mile Drive nach Carmel-by-the-sea ist atemberaubend schön, zerklüftet, malerisch. Das scheinen viele Menschen so zu sehen, denn die gutbetuchten unter ihnen haben sich in parkähnlichen Grundstücken mit riesigen Zypressen noble Villen erbauen lassen und tummeln sich auf kilometerlangen Golfplätzen.
Die aufgrund ihrer fantastischen Aussichten populären 90 Meilen der Big Sur Region vom Carmel River bis San Simeon, am westlichen Rand der Santa Lucia Berge gelegen, bereisen wir leider zwei Tage lang überwiegend im Regen (Nach fünf Jahren Trockenheit für Kalifornien sicherlich ein Segen, nur wieso ausgerechnet heute???). Hin und wieder ist es jedoch auch uns vergönnt, einen gigantischen UND regenfreien Blick auf die Steilküste zu erhaschen. Am Nachmittag des zweiten Tages stranden wir auf einem U.S. Forest Service Campingplatz – die Sonne kommt heraus, wir genießen das Rauschen des Meeres und die tolle Aussicht.
Big Sur
Entlang des beliebten Pacific Coast Highway 1 treffen wir auch wieder häufig auf Radtourist*innen aus aller Welt (Florida, Chicago, Kanada, Australien, Deutschland, Frankreich). Unter anderem einen – Achtung! – 69 Jahre alten Franzosen, der seit Anfang Mai mit seinem Rad durch Nordamerika unterwegs ist, Mitte Dezember nach Hause zurück fliegt und schon jetzt über eine nächste Radreise durch Asien nachdenkt. Ihr seht, Alter ist KEINE Ausrede!
Witterungstechnisch ist es, unabhängig vom Regen, aktuell abends und im Schlafsack Zeit für die Skiunterhosen und am Vormittag für Beinlinge und langes Radshirt. Doch mit jedem Tag, den wir südlicher pedalen, wird es ein Stückchen wärmer und schon am Mittag können wir alles Wärmende in unseren Radtaschen verstauen.
Die nächste Attraktion am Wegesrand ist die Seelöwenkolonie von Piedras Blancas. Stellt Euch eine Meeresbucht vor, fast vollkommen bedeckt mit Seelöwen, die sich faul in der Sonne aalen, sich hin und wieder einige Zentimeter bewegen oder mit Sand besprengen… und im Hintergrund eine Horde mit dem Auto kurz halt machender, fotowütiger Tourist*innen hinter dem Sicherheitszaun. Wir sind uns nicht sicher, wer hier die Attraktion ist.
Elephant Sea Lions
Die wiedergewonnene Sonne nutzen wir in San Simeon zum Trocknen unserer durch den Regen feucht gewordenen Utensilien und lassen den Abend an einem zwar leicht rauchenden und doch wärmenden Lagerfeuer ausklingen. So unglaublich es klingen mag, Sonnenschein ist ein natürlicher Stimmungsaufheller. Warme Hände und Füße beim Frühstück lassen mich fröhlich in den Tag starten, auch wenn 92km als Tagesetappe angesetzt sind.
Die Möglichkeiten zum Wildcampen sind an der Pazifikküste im Prinzip nicht vorhanden, so dass wir uns von Campingplatz zu Campingplatz hangeln und diese mitunter recht weit voneinander entfernt liegen. Hinzu kommt, dass auch in Kalifornien Ende Oktober die Zeit um eine Stunde zurück gestellt wurde und bereits kurz nach 17 Uhr die Sonne untergeht.
Gepaart mit der morgendlichen Kühle, bei der frau*man doch gern noch etwas länger im kuscheligen Schlafsack verweilt, bedeutet dies mitunter stressreiche Tage, immer die Zeit im Nacken.
Genau an solchen Tagen geschehen dann zwar jederzeit mögliche und doch unverhoffte Ereignisse: ein Platten an meinem Hinterrad wegen eines winzigen Metallteils aus einem geplatzten LKW-Reifen – für den Schlauchwechsel ist es notwendig, das gesamte Gepäck abzuladen; oder Mirkos vom Kettenblatt gesprungene Kette, die sich zwischen Kurbel und Rahmen verklemmt und sich erst mit viel Geduld und nach 20min intensivsten Bemühungen wieder an ihren sinngebenden Platz bringen lässt. Und am besten lassen sich solche Kleinigkeiten natürlich beheben, wenn der Verkehr auf dem Highway zweispurig und mit etwa 75km/h an Dir vorbei rauscht.
Ab Goleta reihen sich die Orte fast ununterbrochen aneinander – wir erreichen mit absoluter Sicherheit den Großraum Los Angeles. Einen vorerst letzten Stop in wilder Natur legen wir am Leo Cabrillo State Beach Campground ein, bevor wir uns in den Großstadtdschungel wagen. Über Malibu und Santa Monica erreichen wir die Stadt der Engel und lassen uns für zwei Nächte in einem Motel in einem südlich vom Zentrum gelegenen Stadtteil nieder. Unser mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigter Sightseeing-Tag in L.A. führt uns ins Zentrum (Central Library, Chinatown, Grand Avenue, City Hall mit Aussichtsplattform in der 27ten Etage, Bradbury Building, Grand Central Market, Last Bookstore in Downtown mit grandiosem Bücher-Labyrinth und Kunst-Ateliers auf zwei Etagen) und am späten Nachmittag nach Hollywood und dem Walk of Fame. Ich hatte mir diese Touristen-„Falle“ ruhmreicher vorgestellt – auf mich wirkt der Glamour wenig einladend. Dagegen ist die einstündige Busfahrt von Hollywood im Norden zurück zu unserem Motel im Süden sehr viel spannender und unterhaltsamer. Möglicherweise sind wir auch einfach nur gesättigt von all dem Wohlstand und Überfluss, der an den meisten Ecken zum Ausdruck kommt.
Los Angeles vom City Hall Observation Deck
Erfrischend hingegen sind zwei Begegnungen am nächsten Tag: Gegen Mittag stoppt uns Priscilla tanzend und winkend am Straßenrand. Wir schlagen ihre spontane Einladung zur Übernachtung in ihrem Haus in Long Beach aus – einerseits ist es noch zu zeitig um Feierabend zu machen, zum anderen sind wir für morgen Abend in Solana Beach verabredet, 150km von Long Beach entfernt, zu weit für eine Tagesreise.
Die zweite Begegnung ereignet sich am Nachmittag in Newport Beach, kurz vor dem heutigen Tagesziel. An der Fähre zur Balboa Insel sprechen uns Phil und David an und auch von Phil erhalten wir innerhalb von zwei Minuten eine Einladung in sein Haus auf der Insel. Er und David seien auf dem Weg zum Abendessen, in ein paar Stunden zurück, wir sollten es uns inzwischen bequem machen, die Hintertür des Hauses sei offen. That´s America!
Balboa Island, Newport Beach
Nach einem spaßigen Abend mit den beiden Gentlemen, Musik von Daryl Hall und einer Nacht im gemütlichen Gästebett starten wir gut ausgeruht in einen unserer längsten Radtage bisher. 111km absolvieren wir nahezu im Sprint, mit knapp 17km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Der von Nordwesten kommende Rückenwind trägt einen entscheidenden Teil zu dieser Leistung bei. Unterwegs durchqueren wir unter anderem ganz legal militärisches Gelände. Camp Pendleton ist ein Ausbildungszentrum der US-Marine und eine kleine, umzäunte Welt für sich.
In Solana Beach bei unserer Warmshower -Gastgeberin Corinn angekommen, gibt es zur Begrüssung und zur Belohnung für den heutigen Tag kulinarisch hochwertige, wohlschmeckende Pizza. Von Solana Beach aus fahren wir – ganz untypisch für uns – ein Stück nach Norden zurück, um in Encinitas das lang ersehnte Päckchen mit neuen Radschuhen für mich abzuholen. Die Sohlen meiner mindestens zwölf Jahre alten Trekkingschuhe sind während der letzten Monate so dünn geworden, dass bei Regen das Wasser durch die gebrochenen Sohlen eindringen konnte.
Und dann brechen wir auf zu unserer letzten Station in den USA: San Diego. Hier dürfen wir für drei Nächte bei Sue und Craig im Gästezimmer einziehen. Die beiden leben in Coronado Cays inmitten in der San Diego Bay. Eines der Dinge, die wir gern in den USA noch erleben möchten ist der Besuch eines Gottesdienstes. Also begleiten wir die beiden am Sonntag Morgen in die Episcopal Christ Church of Coronado, wo wir einen kurzweiligen, zum Nachdenken anregenden, musikalischen Gottesdienst erleben. Auf unserem Warmshower -Profil haben wir Gastgeber*innen angeboten, als Dankeschön für die kostenfreie Unterkunft Dinge rund um ihr Haus oder ihre Wohnung zu erledigen. Also verbringen wir den Sonntag Nachmittag damit, verdorrte Palmzweige zu schneiden, Vorgarten und Balkon zu putzen und als Highlight das Segelboot zu schrubben. Wie in Watsonville ist auch diese (andere) Art der Ausarbeitung ein Genuss für uns.
Später versuchen wir uns mehr (Mirko) oder weniger (Ina) galant auf einem Paddelboard zu halten. Im Licht der untergehenden Sonne paddeln wir anschließend noch eine Runde mit dem Zweierkajak durch die Corona Cays, bevor wir eines von Sues köstlichen Abendessen genießen.
Den letzten Tag in den Vereinigten Staaten von Amerika verbringen wir mit Sigthseeing in San Diego, das sehr gemütlich und friedlich auf mich wirkt. Auf dem Programm stehen – nach der ersten Hafenbesichtigung am Ankunftstag – Horton Plaza, das Gaslamp Quarter, der Balboa Park mit all seinen Museen und Gartenanlagen und am Ende des Tages ein gut zweistündiger, sehr interessanter Besuch im Maritime Museum mit Schiffen aus 5 Jahrhunderten.
Skyline San Diego
Liebe Leser*innen, wir verabschieden uns hiermit – einen Monat vor Weihnachten – aus der Welt der Industrieländer und begeben uns nach Mittelamerika. Wir beide sind schon sehr vorfreudig auf die kommenden Abenteuer und melden uns demnächst mit den ersten Eindrücken. Bis dahin passt gut auf Euch auf!
Gesamtkilometer: 12.854km
Gesamthöhenmeter: 65.965m
Die Bilder aus den letzten Wochen findet Ihr hier.
Lykke til 😉
Hey ihr 2.
Was ihr gerade so erlebt erinnert mich an meinen USA Aufenthalt von 2008. Ich habe mir damals auch das Football Spiel der 5. Klasse von den Eltern erklären lassen und fand es dann super spannend. Zum Gottesdienst war ich damals auch noch. Schon witzig wenn man gefühlt in einem Konferenzraum sitzt und über den Beamer erst mal die Fotos der wöchentlichen Geburtstagskinder eingespielt werden und dann eben viel im Country Style gesungen wurde.
Was habt ihr denn zuletzt für Temperaturen gehabt? Denke wärmer als hier war es immer noch. Ich radel gerade bei 2°C auf Arbeit. Zwar erst Notgedrungen weil das Auto streikte, aber jetzt gewöhnt man sich dran und es macht Spaß an der frischen Luft zu sein.
Am Sonntag waren wir im Haus Auensee zum Boy Konzert… es war echt super schön.
Denise und ich freuen sich schon aufs nächste Rätsel und wenn die mexikanische Glücksfee richtig rührt bekommen wir vielleicht auch bald mal Post. (Ina und Mirko mit Weihnachtsmann Mützen am Strand)
Viele liebe Grüße aus dem schönen Leipzig von Denise und René
huhu ihr beiden,
bäume fällen und hecke schneiden könnt ihr auch bei uns, da braucht ihr nicht extra bis nach kalifornien zu radeln, aber gut, nun seid ihr einmal vor ort, da könnt ihr euch auch ein wenig nützlich machen 😉 ansonsten wieder sehr schöne beschreibungen und bilder von der küsten-tour und mit euch sind wir nun gespannt auf die eindrücke aus mexico, wo ihr mit sicherheit ja auch speedy gonzales treffen werdet….wenn ja, bestellt ihr bitte viele gruesse vom officer……unverändert gilt, dass wir euch weiterhin alles gute wünschen und darauf drängen, dass ihr gut auf euch aufpassst! bis hoffentlich bald, officer&sippe
Hallo, ihr Lieben,
wer hätte gedacht, dass es in America Milchreis, Tomatenfisch, Zebras… und eine schnelle Post gibt. Eure Karte war nach sage und schreibe 5 Tagen da – vielen Dank dafür!! Dem Herrn V. werde ich sie natürlich auch noch zum (kurzen) Lesen vorlegen.
Ich komme gerade zurück von einer Dienstreise nach München. Letzte Woche war’s Stuttgart. So komme ich auch ein wenig herum. Und die Temperaturen da unten dürften euren geähnelt haben (15-20°C, und das Ende November). Gleichzeitig haben sie Weihnachtsmärkte geöffnet und der erste Advent ist gekommen. Habt ihr den unter Palmen gefeiert? Auf jeden Fall freue ich mich, dass ich jetzt endlich auch Lebkuchen essen kann 🙂
Ansonsten alles frisch & munter hier. Euch ein weiterhin fröhliches Radeln. Und jetzt, wo ihr in die wilderen Gefilde kommt: Passt auf euch auf!
Liebe Grüße von Alena 🙂
Liebe Ina, wir wünschen Dir alles Liebe und Gute zu Deinem heutigen Ehrentag. Ganz viel Spaß weiterhin auf Eurer Reise, noch mehr interessante Begegnungen und Eindrücke. Haben letztens wiedermal die Bilder von unserer Abschiedsfete im Garten angeschaut…schön wars :o) Wir freun uns schon sehr auf Weihnachten, auch wenn es für uns dieses Jahr sehr stressig ist. Ihr werdet am ersten Weihnachtsfeiertag fehlen. Hilde ist jetzt schon traurig! Also, genießt den Tag und fühlt Euch feste gedrückt!! Liebe Grüße von den Hildis
Hi Ina,
ich wünsche dir auch alles Liebe zum „RUNDEN“ Geburtstag.
Wir sind immer sehr gespannt auf eure tollen und erlebnisreichen Geschichten. Wir wünschen euch weiterhin so unkomplizierte Etappen und hoffen, daß ihr auch bei heißen Temperaturen etwas Weihnachtsstimmung habt.
Lg
Yvonne und die Walthers
So happy you met so many good people on your travel
thru the US west. Im sure it was a lovely time for anyone
who met you.
You have done well. As Mirko said…have a wonderful life!!
Thanks for the blog to keep reading.
Peace on.
Vielen lieben Dank an Euch alle, die Ihr via Blog, Mail oder Facebook an meinen Geburtstag gedacht habt. 🙂
Wir haben die letzten zwei Tage in Loreto, Baja California Sur in einem Hotel direkt am Strand verbracht – mein Geschenk für mich selbst zum 40. – Ausspannen bei angenehmen 25 Grad Celsius, durch die historische Altstadt schlendern, Strandspaziergänge, nette Menschen treffen und zum Geburtstagsabend ein Buffet mit Spare Ribs vom Grill, überbackenenen Kartoffeln, Gemüse und frischen Muscheln in verschiedenen Varianten, dazu Livemusik. Traumhaft!
Ich wünsche Euch allen einen ebenso traumhaften dritten Advent und eine besinnliche Vorweihnachtszeit! 🙂
Mit Freude haben wir gelesen ,das Ihr so einen schönen Tag hattet. Wir wünschen Euch eine gute Weiterfahrt, viele tolle neue Erlebnisse und nette leute unterwegs. Voller Vorfreude warten wir auf neue Bilder und einen Bericht. Bis bald. Machts gut und passt auf euch auf. es grüssen Balazs und Kristina.