Die Karawane zieht weiter
Здравствуйте (Strastwujtje), Ihr Lieben, in diesem Betrag werde ich versuchen, Eure und unsere русский язык (russkiy yazyk) aufzufrischen. Solltet Ihr Zentralasien (demnächst) auf Eurer Reisewunschliste haben, sind ein paar Brocken Russisch sehr nützlich. Die Frage откуда (Otkuda) gehört hier zu unserem täglichen Programm – in Tadschikistan heißt die Antwort: „Olmon“.
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Vom Camp Artusch, aus dem wir beim letzten Mal berichtet hatten, ging es für uns wieder hinunter ins schöne Serafshan-Tal. Das beglückte uns mit einem farbenfrohen Wechsel von grün, saftig, üppig zu schroff, steil und dramatisch. In Iskodar verbringen wir unsere letzte Nacht im Serafshan-Tal – in einem Obstgarten. Dabei benutzen wir zum ersten Mal einen unserer gelben Zettel, auf denen in verschiedenen Sprachen steht: „Hallo, wir sind René, Mirko und Ina. Wir sind aus Deutschland. Wir suchen für heute Nacht einen sicheren Platz für unser Zelt.“ Dieser Zettel verschafft uns tatsächlich einen ruhigen Ort für heute Nacht, schützt uns allerdings nicht vor dem Regen am Abend. Doch zwischen den Obstbäumen lässt sich am nächsten Утро (Utro) wunderbar die Wäscheleine spannen, um alles Nasse noch mal eben schnell in die Солнце (Solntse) zu hängen, während wir frühstücken.
Als wir aus dem Dorf hinaus rollten, rief es lange Zeit hinter uns her: как-те-бя-зо-вут? (Kak tebja sowut?) – als ob unsere Antwort zu hören gewesen wäre… 🙂
Dann wartet der erste Pass unserer Reise. 1.400Hm auf 20km Länge führen hinauf zum Shahriston-Tunnel (2.760m). Schon nach den ersten 4km halten wir an der Oschchona Anis für ein zweites завтрак (zavtrak), das aus grünem Tee, Salat, Brot und einer kräftigen Fleischsuppe besteht.
Für den weiteren Anstieg wird das die einzige Versorgungsmöglichkeit bleiben, da sich die Улица (Ulitsa) in wenigen Serpentinen eng an die Bergflanke geschmiegt hinauf windet. Als wir den Tunnel erreicht haben, der als solcher gar nicht kenntlich gemacht ist, überlegen wir, wie wir denn nun zu einer Mitfahrgelegenheit kommen. Der Shahriston-Tunnel ist 5km lang, unbeleuchtet und vor allem unbelüftet – also keinesfalls ein Ort, durch den wir uns mit dem велосипед (Velosiped) bewegen sollten. Mirko geht mal gucken… und stellt fest, dass wir noch gar nicht vor dem Tunnel stehen, sondern nur vor einer winzigen Unterführung und uns doch noch einige Höhenmeter bis zum Tunneleingang fehlen. Vor dem richtigen Tunnel angekommen, ist gleich unser erster Versuch, eine Mitfahrgelegenheit zu finden, von Erfolg gekrönt. „Overseas Adventure Tours“ heißt der leere автобус (Avtobus), der für uns anhält. Zuerst ist der Fahrer skeptisch unserem Anliegen gegenüber, doch nach wenigen минуты (Minuty) verstauen wir gemeinschaftlich das Gepäck im unteren Gepäckfach, die Räder verladen wir mit quergestelltem Lenker in den Fahrgastraum. Wir nehmen ebenfalls Platz und können auf den Premiumplätzen verfolgen, was sich im Tunnel so abspielt. Auf der anderen страница (Stranitsa) angekommen, spielen wir dieses Spiel rückwärts und sagen Спасибо (Spasibo) zum Busfahrer. 🙂
Hier erwartet uns außerdem kühles Nieselwetter, so dass wir in einige Lagen Kleidung gehüllt schnellstens versuchen an Höhe zu verlieren. Die Ночь (Noch) verbringen wir auf einer schönen Wiese, umgeben von sanften Berghängen, nicht ahnend, dass uns hier am kommenden Morgen bereits kurz nach sechs Uhr diverse Kuhherden zum Aufstehen zwingen werden.
Beste Straßenverhältnisse, sanft abfallendes Gelände und teilweise Rückenwind lassen uns bereits nach einem Tag Chudchand erreichen, eine weitere Город (Stadt) der Seidenstraße. Hier mieten wir uns für zwei Nächte im Armon Apart Hotel ein, bringen Frische und Sauberkeit in unser Leben, erkunden den базар (Bazar) und lassen das bunte nächtliche Geblinker der zweitgrößten Stadt Tadschikistans auf uns wirken. Ein Schweizer Radler, der uns entgegen gekommen war, hatte Chudchand als Disneyland bezeichnet.
Bei 34 Grad Celsius radeln wir am Südufer des Kayrakkum Reservoir entlang, ein Stausee, der vom Syrdarya gespeist wird. Dabei sind wir durchaus auch schon mal direkt auf der Grenzlinie zwischen Tadschikistan und Kirgistan unterwegs. погода (Pogoda) und See laden zu einem Badestop ein. In einem kleinen магазин (Magazin) treffen wir auf den deutschsprechenden jungen Ahmad. Er hatte sechs Monate in Bayern verbracht und zeigt uns mit seinem Fahrrad den Weg an den озеро (Ozero), wo wir ein erfrischendes Bad im sogenannten „Tadschikischen Meer“ genießen.
Bis spät in die Nacht quält uns die Hitze der Region, am nächsten завтра (zavtra) mal wieder der Durchfall. Wir verdächtigen inzwischen Hühnchenspeisen jeder Art, da wir am Vortag zur Mittagszeit ein solches Getier in einem wunderschön angelegten Gartenrestaurant genossen hatten.
Am Grenzübergang Patar kehren wir Tadschikistan den Rücken und dann heißt es wieder Добрый день (Dobryy den) in Usbekistan, wo die überwiegende Autofarbe weiß ist, die Teestube statt Oschchona wieder чайкана (Tschaikana) heißt, die маршрутка (Marschrutka) kleine weiße Busse statt große Transporter und die Antwort auf die Frage nach dem Woher „Germania“ lautet.
Die beiden nächsten Stationen auf unserem Weg durch das fruchtbare, dicht bevölkerte Ferganabecken heißen Kokand und Andijan. Beide sind ebenfalls historische Städte der Seidenstraße, Kokand eine der ältesten Ansiedlungen Usbekistans. Da wir beide Orte jedoch bei Weitem nicht so beeindruckend finden wie Buchara und Samarkand, stoppen wir hier nur für eine Übernachtung bzw. einen Pausentag. Und schon sind wir auch durch Usbekistan, Teil 2 hindurchgebraust und finden uns an der Граница (Granitsa) zu Kirgistan wieder.
Nun folgt ein kleiner Einblick in das Prozedere beim Grenzübertritt, das je nach Andrang zwischen 30 und 60min dauern kann:
1. Passkontrolle UZ – Sind wir im Besitz eines usbekischen Einreisestempel? >>> Ja. Wir dürfen passieren.
2. Passkontrolle UZ + Scan des Passes >>> Wir erhalten den Ausreisestempel von Usbekistan
3. Passkontrolle UZ – Sind wir im Besitz eines usbekischen Ausreisestempel? >>> Ja. Wir dürfen passieren.
1. Passkontrolle KG – Sind wir im Besitz eines usbekischen Ausreisestempel? >>> Ja. Wir dürfen passieren.
2. Passkontrolle KG + Scan des Passes –> Wir erhalten den Einreisestempel für Kirgistan
3. Passkontrolle UZ – Sind wir im Besitz eines kirgischen Einreisestempel? >>> Ja. Wir dürfen passieren.
Manchmal werden dabei noch diverse Tore geöffnet und geschlossen. Oder wir dürfen unser gesamtes Gepäck abladen für den Scanner. Oder wir werden nach Narkotika und Medikamenten gefragt: Mirko zeigt sein 1.-Hilfe-Set; bei mir reicht die Antwort, dass ich jeden День (Den) eine Tablette nehme; René muss als Dritter von uns jedoch seine gesamte Reiseapotheke einer Prüfung unterziehen lassen. Die Erklärung, das sei alles für den Magen, schient den Grenzbeamten dann doch zufrieden zu stellen.
In Osh angekommen, nisten wir uns für zwei Nächte im Park Hostel ein, wo wir endlich auch mal wieder auf andere Reisende treffen. Hier gibt’s große Kochkünste (Kartoffelstampf mit So-Etwas-Ähnliches-Wie-Ratatouille), große Wäsche, großen Einkauf für die nächste große этап (Etap) und eine kleine Wanderung auf den großen Sulayman-Too, Salomons Thron, hoch über der Stadt.
Gut gerüstet starten wir nach der Ruhephase gen юг (Yug) Richtung Berge. Denn wenn uns schon das Pamirgebirge verwehrt geblieben ist, so wollen wir doch wenigstens mal einen Blick auf eben jene горы (Gory) werfen. Also wandeln wir auf Mirkos Spuren anno 2012 und klettern von Osh über den Chyiyr Chyk Pass (2.389m) und dann auch noch über den Taldyk Pass (3.615m) hinüber ins Alai-Tal. Dick eingepackt rollen wir nach Sary-Tash hinunter – vor uns entblättert sich ganz allmählich das Panorama des Großen Alai, der auf 250km Länge den Nordrand des Pamirgebirges markiert. Dieser Anblick macht mein kleines Herz ganz groß und warm, meine Äuglein feucht, lässt alle Strapazen vergessen und sich sowieso nicht in Bilder oder gar Worte fassen.
Vom Leninpeak Guesthouse in Sary-Moghol aus lassen wir uns von Bertikul zum Tulpar-Köl kutschieren (Ja, ihr lest richtig, in einem Auto!!!). Wir hatten laaaange überlegt, diesen Ausflug mit den Rädern zu unternehmen, uns am Ende doch für die Taxifahrt entschieden. Vor Ort wandern wir am Tulpar-See und seinen vielen братья (Bratya) vorbei und genießen den fantastischen Вид (Vid) auf den Abu Ali Ibn Sinu mit seinen gewaltigen 7.134m (auch bekannt als Peak Lenin), das Alaital und die gegenüberliegende Bergkette, den Alai. Unsere Anwesenheit wird von einer großen Ansiedlung von Murmeltieren mal von nah, mal von fern genauestens unter die Lupe genommen. Zu Recht, denn wenn hier die Saison losgeht, besuchen jährlich etwa 1.000 Menschen das Lenin Peak Base Camp, etwa 100 von ihnen versuchen sich auch am Gipfel – so erfährt Mirko bei einem Abendspaziergang von einem einheimischen Tourist*innenführer.
Nach diesem Ausflug per pedes schwingen wir uns am 31. Mai wieder in die Sattel und reisen rückwärts: vom Alai-Tal über den Taldyk Pass hinüber ins Gulcha-Tal, dem wir so weit gen Norden folgen, bis sich in der gleichnamigen Stadt die Flüsse Gulcha, Jeyly und ein dritter Namenloser zum Kurshab vereinigen. Dessen Flusslauf bietet uns jede Menge Abwechslung für die Augen: weite grüne Täler, schroffe, steile Felsen, wieder weite, doch karge Steppe. Hoch oben am Steilufer schlagen wir für eine Nacht unser палатка (Palatka) mit Blick auf den Fluss tief unter uns auf.
Es folgen zwei weitere Tage auf unseren Zweirädern, in denen wir das schöne, gastfreundliche, neugierige, freundliche Kirgistan bereisen… bis nach Arslanbob, wo sich der größte Walnuss- und Wildobstwalt der мир (Mir) befindet. Laut Wikipedia war der erste bekannte Export Kirgistans nach Europa die Arslanbobsche Walnuss und zwar schon zur Zeit Alexander des Großen. Deshalb drehen wir hier selbstverständlich eine Wanderrunde durch die Wälder und genießen das viele Grün, die herrliche Ruhe und die Ausblicke in die umliegenden Berge.
Gern hätten wir Euch diesen Beitrag schon von hier gesandt, doch bereits im Büro des CBT (Gemeindebasierter Tourismus) können wir lesen: „No WiFi at all in Arslanbob“ :(. Das CBT wurde 2000 gegründet und ist eine Non-Profit-Organisation, die einen Teil der Einnahmen aus dem Gemeindebasierten Tourismus in Bildung und die Entwicklung eines sozialen und ökologisch nachhaltigen Tourismus investiert.
Zum Schluss gibt’s hier noch ein paar Daten für die Freund*innen der Statistik:
Gesamtstrecke: 1.668km
Reifenpannen: 2
maximale Tage ohne Dusche: 3
Nächte im Zelt: 12
Bis zum nächsten Mal grüßen Eure Radnomad*innen
René, Mirko & Ina
Ihr lieben Radler,
schön, von euch zu lesen und die traumhaften Bilder zu beschauen. GÄNSEHAUT PUR !
Eine so faszinierende Landschaft hatten wir uns nicht vorgestellt.
Schade, daß wir nicht jünger sind und das E-Bike würde uns auch nicht helfen. Aber mit eurem ausführlichen Kommentar dürften wir wieder in Stück mit euch reisen, wenn auch zeitversetzt.
Wir freuen uns schon auf die nächste Folge , bis dahin bleibt gesund und habt weiter so viel Spaß am Radeln und Erkunden.
Liebe Grüße von den Eltern aus Silbestraße und ganz dicke Drücker an euch Drei.
Schön, wieder teilzunehmen an Eurem Abenteuer. So lernen auch wir Daheimgebliebenen etwas dazu, von diesem eher unbekannten Fleckchen Erde.
Weiterhin viel Spaß bei guter Gesundheit.
Ich verfolge mit Spannung Eure Reise.
LG aus Wilkau von Kathrin
Hallo ihr drei Lieben, schön wieder was von Euren Abenteuern zu lesen und die herrlichen Fotos zu sehen. Wir freuen uns das es euch gut geht und es ist interessant und spannend eure Reise zu verfolgen. Wir wünschen euch eine gute Weiterfahrt und bleibt gesund. Wir freuen uns bald mal wieder was von euch zu hören oder zu lesen. Es umarmen und drücken euch Balazs und Kristina.
Hallo ihr 3, vielen Dank für den wieder sehr interessanten Bericht. Ja auch mit einigen russischen Worten konnte ich noch mithalten. Wir freuen uns das euch die Reise immer noch viel Spass macht und ständig neue Eindrücken auf euch zukommen. Weiterhin alles Gute.
Это круто, спасибо за небольшое путешествие во времени, которое было связано для меня с уроком русского языка, который был частью доклада.
Добавление: Фотографии действительно потрясающие! Но в прошлый раз я снова был на Пико-дель-Роше (Рохлитцер Берг) со своим гоночным велосипедом и должен сказать вам, что это тоже было здорово 😉
Hallo Mirko, Hallo Ina,
habe ich es mir doch gedacht, ihr habt Euch mal wieder aus dem Staub gemacht. Aber schön zu sehen das es Euch gut geht. Ist in Eurer Planung vorgesehen, das Ihr eventuell im November wieder zurück seid? ich würde Euch gern zu unserem Jubiläum einladen.
Lasst Es Euch gut gehen. Gruss Micha – Dein Ex-Chef ;-))
Hallo, Ihr Lieben,
das klingt doch wieder ordentlich nach Abenteuer! Richtig so! Herzlichen Dank für’s Fernwehverursachen und die tollen Einblicke. Das weckt eindeutig Erinnerung und Lust auf neue Aktionen.
Bleibt bitte gesund und fahrt sicher!!!
Wir freuen uns auf die nächsten Beiträge.
Hallo ihr drei,
vielen Dank für die Berichte und eindrucksvollen Bilder. Gerne mehr davon, wir warten schon gespannt.
@Mürgo: wir schicken dir zeitnah noch einen Einkaufszettel…Beate hätte gern zwei rießen Melonen;)
Viele Grüße nach Zentralasien, bleibt Gesund.
Die Kollegen aus der Einbauplanung.
Hallo ihr drei,
was für wunderschöne Bilder und Erzählungen. Tausend Dank für die Statistikdaten
Wir sind schon sehr gespannt auf eure nächsten Beiträge. Bleibt gesund und weiter viel Spaß und geniale Eindrücke…
Sonnige Grüße aus Berlin
Hallo Ihr lieben Nachbarn Ina und Mirko!
Danke für Eure fortlaufenden Reiseberichte.
Bilder und Berichte sind sehr beindruckend.
Sie vermitteln sehr schön Eure wunderbaren Erlebnisse von Landschaft, Natur, Kultur, Tradition und den Menschen.
Bewundernswert auch Eure Fitness im Sattel, Improvisation, Abenteuerlust.
So können wir auch an Eurer Langsstrecken-Fahrradtour durch Zentralasien teilhaben.
Dazu gibt es auch noch Eure Russisch Nachhilfe. Спасибо!
Noch viele schöne unvergessliche Erlebnisse.
Bleibt gesund und nur kleine Pannen für die nächsten vielen km
wünschen Euch sehr herzlich Regina , Dieter & Kerstin
PS.: Hier ist alles i.O.
Ihr lieben Mitreisenden, an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für Eure Kommentare, Euer Lob, die guten Wünsche und natürlich die Einblicke ins heimatliche Geschehen! Es freut uns wie immer sehr, dass wir Euch mit unseren Zeilen Freude bereiten. 🙂
In diesem Sinne schwingen wir uns heute wieder in den Sattel und brechen Richtung Kasachstan auf.
Herzliche Grüße von den Radtomaten René, Mirko & Ina